KULINARISCHE LITERATOUR: EMILE ZOLA ÜBER SALAT

Der Bauch von Paris: »Die Salate – Kopfsalat, Löwenzahn und Endivien –, leicht geöffnet und noch mit Erdklumpen behaftet, zeigten ihr helles Herz; die Spinatbündel, die Sauerampferbündel, die Artischockensträuße, die zu Haufen aufgetürmten Erbsen und Bohnen, der aufgestapelte Römersalat, durch Strohfasern zusammengebunden, zeigten die ganze Bandbreite der Grüntöne, angefangen bei der grünen Lackfarbe der Schoten bis zum satten Grün der Blätter; eine fortlaufende Farbskala, die in den Mischtönen des Staudenselleries und der Lauchstangen verblasste.«

 

Les Halles: Schauplatz für den 1873 erschienenen Roman »Der Bauch von Paris« (Le Ventre de Paris) von Emile Zola (1840–1902) sind die legendären zentralen Markthallen, damals noch mitten in der Stadt. Der kühnen, gerade erst errichteten Eisen-Glas-Konstruktion, die 1971 abgerissen wurde, setzte Zola mit seinem Roman ein literarisches Denkmal. Der französische Schriftsteller gilt als genauer Beobachter: Seine Romane sind reich an detailreichen Schilderungen – die Handlung ist da fast zweitrangig. Im »Paradis des Dames« ist es die Warenwelt im Kaufhaus, im »Ventre de Paris« sind es die Gerüche und Farben des Lebensmittelangebots in und rund um die Markthallen, zehn von Baltard zwischen 1854 und 1874 errichtete Pavillons mit rund 35o Ständen. Alle landwirtschaftlichen Produkte Frankreichs sind in diesem ganz eigenen Universum vertreten: Butter aus der Bretagne und der Normandie, Pfirsiche aus Montreuil und der Provence, Fisch und Meeresfrüchte, Käse aus dem ganzen Land von Brie bis Roquefort … Die Beschreibung der Gerüche und des Aussehens der Käsesorten ist darunter die wohl berühmteste Schilderung. Aber auch die Farbsymphonie der Salate und Gemüse begeistert den Maler Claude, eine der Romanfiguren. Ähnlich ging es wohl dem französischen Maler Victor Gilbert (1847–1933), einem Zeitgenossen Zolas, dessen Gemälde »Le Carreau des Halles« (Musée des Beaux Arts, Le Havre) aus dem Jahr 1880 genau die beschriebene Szenerie zeigt.

Vom Potager zur Banlieue: Obst und Gemüse in Les Halles stammen zu dieser Zeit zu mehr als 90 Prozent noch von Gemüsegärtnern aus der näheren Umgebung von Paris und erreichen die Hauptstadt auf kleinen Handkarren, Pferdewagen und auf Booten über die Seine. Florent, der Protagonist des Romans, kommt mit dem Karren von Madame François, Gemüsegärtnerin aus Nanterre, in Les Halles an. Wo im 19. Jahrhundert noch Ackerflächen bewirtschaftet wurden, leben heute knapp 96.000 Menschen und erheben sich die Bürohochhäuser von La Défense. Unzählige Gemüsesorten aus der Ile de France und dem engeren Pariser Raum waren bekannte und beliebte Spezialitäten, etwa der Spargel aus Argenteuil, Wirsing aus Pontoise und Lauch aus Gennevillers, runde und längliche Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln, Bohnen und Rübchen, Brunnenkresse aus Méréville, Löwenzahn aus Montmagny, Frisée aus Meaux und weitere Blattsalate.

Die Textstelle auf Deutsch und auf Französisch: »In seiner Begeisterung hatte Claude sich auf die Bank gestellt. Er nötigte seinen Gefährten, den über den Gemüsen heraufziehenden Morgen zu bewundern. Es war ein Meer, das sich zwischen den beiden Pavillongruppen von der Kirche Sainte-Eustache bis zur Rue des Halles ausdehnte. An den beiden Enden, bei den Wegkreuzungen, wuchs die Flut noch an; die Gemüse bedeckten das ganze Straßenpflaster. Der Tag brach langsam in zartgrauem Lichte an und tauchte alles in helle Aquarellfarben. Diese einer schäumenden, raschen Flut gleichenden Haufen, dieser Strom von Grün, der in der Straßensenke dahinzufließen schien wie die Regenmassen eines Herbstunwetters: sie nahmen feine, geperlte Schattierungen an, das zarte Violett, das fast cremefarbene Rosa, das in Gelb getauchte Grün, all die blassen Farben, die bei Sonnenaufgang dem Himmel die Farbe von schillernder Seide verleihen. In dem Maße, wie die aufflammende Morgensonne mit ihren lodernden Strahlen aus dem Hintergrund der Rue Rambuteau aufstieg, erwachten die Gemüse nach und nach und traten aus den blauen Schatten am Boden. Die Salate – Kopfsalat, Löwenzahn und Endivien –, leicht geöffnet und noch mit Erdklumpen behaftet, zeigten ihr helles Herz; die Spinatbündel, die Sauerampferbündel, die Artischockensträuße, die zu Haufen aufgetürmten Erbsen und Bohnen, der aufgestapelte Römersalat, durch Strohfasern zusammengebunden, zeigten die ganze Bandbreite der Grüntöne, angefangen bei der grünen Lackfarbe der Schoten bis zum satten Grün der Blätter; eine fortlaufende Farbskala, die in den Mischtönen des Staudenselleries und der Lauchstangen verblasste. Unter den kräftigen Tönen setzten aber doch die Möhren und Rüben, die in überreicher Menge auf dem ganzen Markte ausgestreut, lebhafte Akzente in diese Farbenpracht. An der Wegkreuzung zur Rue des Halles bildeten die Kohlköpfe ganze Berge – riesige Weißkohlköpfe, fest geschlossen und hart wie Kugeln aus einem blassen Metall; Wirsingköpfe, deren große Blätter flachen Bronzebecken glichen; Rotkohlköpfe, denen die Morgenröte ein prächtiges Weinrot verlieh, mit dunkleren Streifen von Karmin und Purpur. Am andern Ende, bei der Wegkreuzung vor der Saint-Eustache-Kirche, war der Zugang zur Rue Rambuteau von einer doppelten Barrikade gelber Riesenkürbisse versperrt, die ihre Bäuche wölbten; da und dort schimmerte der braunrote Glanz eines Korbes voll Zwiebeln, das Blutrot eines Haufens Tomaten, das Blassgelb einer Partie Gurken, das Dunkelviolett eines Stapels Auberginen, während einzelne Reihen großer schwarzer Rettiche dunkle Flecken inmitten aller Farbenfreude des anbrechenden Tages bildeten.

Claude klatschte bei diesem Anblick in die Hände. Er fand diese »vertrackten Gemüse« ganz außerordentlich, erhaben, verrückt. Und er behauptete, dass sie nicht tot seien, da sie, am gestrigen Abend aus der Erde geholt, jetzt auf dem Hallen-Pflaster der Morgensonne harrten, um ihr Lebewohl zu sagen. Er sah sie leben, ihre Blätter öffnen, als ob sie noch ruhig und warm in ihren Düngerbeeten säßen. Er behauptete, hier das Röcheln aller Gemüsegärten der Umgegend zu hören. Doch inzwischen bevölkerte eine Menschenmenge mit weißen Hauben, in schwarzen Blusenjacken und blauen Kitteln die schmalen Pfade zwischen den Gemüsebergen. Es war ein Stück ländliches Getöse. Die Köpfe überragend zogen die großen Butten der schwerbepackten Lastenträger vorüber. Die Straßenhändler, die Wiederverkäuferinnen und die Käser beeilten sich, ihre Einkäufe zu machen. Bei den Kohlhaufen sah man Korporale und Nonnengruppen feilschen; Schulköche gingen witternd umher, um einen wohlfeilen Kauf zu suchen. Es wurde noch immer abgeladen; Karren warfen ihre Last zu Boden wie eine Ladung Pflastersteine und vergrößerten so die Flut, die allmählich das Trottoir gegenüber erreichte. Und aus der Rue du Pont Neuf trafen noch immer unendliche Wagenkolonnen ein.

Es ist doch herrlich schön! murmelte Claude entzückt.«

(Deutsche Fassung: von mir überarbeiteter Text des Projekt Gutenberg, dort ohne Übersetzer-Nennung)

 

Mais Claude était monté debout sur le banc, d’enthousiasme. Il força son compagnon à admirer le jour se levant sur les légumes. C’était une mer. Elle s’étendait de la pointe Saint-Eustache à la rue des Halles, entre les deux groupes de pavillons. Et, aux deux bouts, dans les deux carrefours, le flot grandissait encore, les légumes submergeaient les pavés. Le jour se levait lentement, d’un gris très-doux, lavant toutes choses d’une teinte claire d’aquarelle. Ces tas moutonnants comme des flots pressés, ce fleuve de verdure qui semblait couler dans l’encaissement de la chaussée, pareil à la débâcle des pluies d’automne, prenaient des ombres délicates et perlées, des violets attendris, des roses teintés de lait, des verts noyés dans des jaunes, toutes les pâleurs qui font du ciel une soie changeante au lever du soleil; et, à mesure que l’incendie du matin montait en jets de flammes au fond de la rue Rambuteau, les légumes s’éveillaient davantage, sortaient du grand bleuissement traînant à terre. Les salades, les laitues, les scaroles, les chicorées, ouvertes et grasses encore de terreau, montraient leurs cœurs éclatants; les paquets d’épinards, les paquets d’oseille, les bouquets d’artichauts, les entassements de haricots et de pois, les empilements de romaines, liées d’un brin de paille, chantaient toute la gamme du vert, de la laque verte des cosses au gros vert des feuilles; gamme soutenue qui allait en se mourant, jusqu’aux panachures des pieds de céleris et des bottes de poireaux. Mais les notes aiguës, ce qui chantait plus haut, c’étaient toujours les taches vives des carottes, les taches pures des navets, semées en quantité prodigieuse le long du marché, l’éclairant du bariolage de leurs deux couleurs. Au carrefour de la rue des Halles, les choux faisaient des montagnes; les énormes choux blancs, serrés et durs comme des boulets de métal pâle; les choux frisés, dont les grandes feuilles ressemblaient à des vasques de bronze; les choux rouges, que l’aube changeait en des floraisons superbes, lie de vin, avec des meurtrissures de carmin et de pourpre sombre. À l’autre bout, au carrefour de la pointe Saint-Eustache, l’ouverture de la rue Rambuteau était barrée par une barricade de potirons orangés, sur deux rangs, s’étalant, élargissant leurs ventres. Et le vernis mordoré d’un panier d’oignons, le rouge saignant d’un tas de tomates, l’effacement jaunâtre d’un lot de concombres, le violet sombre d’une grappe d’aubergines, çà et là, s’allumaient; pendant que de gros radis noirs, rangés en nappes de deuil, laissaient encore quelques trous de ténèbres au milieu des joies vibrantes du réveil.

Claude battait des mains, à ce spectacle. Il trouvait «ces gredins de légumes» extravagants, fous, sublimes. Et il soutenait qu’ils n’étaient pas morts, qu’arrachés de la veille, ils attendaient le soleil du lendemain pour lui dire adieu sur le pavé des Halles. Il les voyait vivre, ouvrir leurs feuilles, comme s’ils eussent encore les pieds tranquilles et chauds dans le fumier. Il disait entendre là le râle de tous les potagers de la banlieue. Cependant, la foule des bonnets blancs, des caracos noirs, des blouses bleues, emplissait les étroits sentiers, entre les tas. C’était toute une campagne bourdonnante. Les grandes hottes des porteurs filaient lourdement au-dessus des têtes. Les revendeuses, les marchands des quatre saisons, les fruitiers, achetaient, se hâtaient. Il y avait des caporaux et des bandes de religieuses autour des montagnes de choux; tandis que des cuisiniers de collége flairaient, cherchant les bonnes aubaines. On déchargeait toujours; des tombereaux jetaient leur charge à terre, comme une charge de pavés, ajoutant un flot aux autres flots, qui venaient maintenant battre le trottoir opposé. Et, du fond de la rue du Pont-Neuf, des files de voitures arrivaient, éternellement.

— C’est crânement beau tout de même, murmurait Claude en extase.

 

Weiterlesen über Salat in der Literatur:

in Grimms Märchen bei E.T.A. Hoffmann bei Jean de La Fontaine bei Heinrich Mann bei Erich Mühsam bei Marcel Proust bei François Rabelais bei Kurt Tucholsky