KULINARISCHE LITERATOUR: LA FONTAINE ÜBER SALAT

Der Gärtner und sein Herr

Ein Gartenfreund, halb Städter und halb Bauersmann,

Besaß bei einem Dorf ein hübsches Gartenfeld.

Das hat er voller Fleiß bestellt

Mit Ampfer und Salat und was man brauchen kann,

Um Margot sonntags einen Strauß zu binden:

Jasmin und Quendel waren dort zu finden.

 

Ein Frosch? Nicolas Fouquet (1615–1680), ein Liebhaber der schönen Künste, hatte Musiker, Dichter und andere Künstler an sein Schloss Vaux-le-Vicomte geholt und gefördert, darunter Jean de La Fontaine. Der Mäzen zahlte ihm als Hofdichter eine monatliche Pension, damals die einzige Möglichkeit, von seiner Feder zu leben. Doch der Finanzminister des Sonnenkönigs, der Schloss und Garten von den besten Architekten, Innenausstattern und Gärtnern gestalten ließ, wurde 1661 mit dem Vorwurf, er habe sich aus der Staatskasse bedient, festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Womöglich ist es Fouquets maßloser Ehrgeiz, den La Fontaine (1621–1695) Jahre später in eine Fabel kleidete: »Der Frosch, der so groß sein wollte wie ein Ochse«, er spreizt sich, bläht sich mit Macht auf – bis er schließlich platzt. Auch La Fontaine fiel beim Sonnenkönig in Ungnade, doch seine 1668 veröffentlichten Fabeln nach Motiven von Aesop und anderen Vorbildern wurden zum großen Erfolg bei den Zeitgenossen, sodass stolze 40 Auflagen davon gedruckt werden konnten.

Bestiarium: Die 243 Fabeln des französischen Dichters bevölkern vor allem Tiere – Grille und Ameise, Rabe und Fuchs brachten es zu überzeitlicher Berühmtheit. Beim ebenso tierbegeisterten wie gesellschaftskritischen La Fontaine spiegeln zahllose Löwen und Füchse, einige Affen, Adler, Bären, Wölfe, Schlangen, Ziegen und Schildkröten die menschliche Gesellschaft. Viele Leserinnen und Leser haben sich daran versucht, La Fontaines Fabeln zu entschlüsseln, sie auf Ereignisse am Hof oder in den Salons zu beziehen, sie aus dem Tierreich wieder ins Menschliche rückzuübersetzen und sie nicht nur moralisch, sondern auch politisch zu lesen. Kindergeschichten sind es ursprünglich im 17. Jahrhundert noch nicht, erst später stellt man den vermeintlich erzieherischen Aspekt in den Vordergrund, sodass heute jedes französische Schulkind die Fabeln kennt. Die Fabeln üben durchaus Kritik am Absolutismus, allerdings meist diskret und versteckt hinter der tierischen Maskerade. Daher fällt »Le Jardinier et son Seigneur« umso mehr auf, als es dort am Ende ganz unverblümt ans Publikum gewendet heißt, »de recourir aux rois vous seriez de grands fous«. Irrtümer spielen eine große Rolle in den Fabeln La Fontaines. Schließlich sollen sie uns davon abhalten, sie selbst zu begehen. Hier hat die Bitte um Hilfe an der falschen Stelle verheerende Folgen, der Garten wird völlig verwüstet.

Der Gemüsegarten des Königs: Wie immer in meiner kleinen Serie zum Salat in der Literatur (Kurt Tucholsky, Heinrich Mann, Rabelais, Proust, E.T.A. Hoffmann, Erich Mühsam, Grimms Märchen) interessieren hier aber weder Versmaß noch andere literarische Aspekte der Fabeln, sondern der Salat, im Original »laitue« und »chicorée«. So gar nicht von gestern, sondern überraschend modern muten die Ernährungsgewohnheiten des Königs an: Ludwig XIV. soll nicht nur eine Vorliebe für frische Erbsen, Spargel und Artischocken, Birnen und Feigen gehegt haben, sondern ließ sich auch beachtliche Mengen an Salaten auftischen, angerichtet mit Estragon, Basilikum, Pimpinelle und essbaren Blüten, so berichtet es etwa der Duc de Saint-Simon (1675–1755) in seinen berühmten Memoiren, in denen er das Leben am Hof des Sonnenkönigs schildert. Jean-Baptiste de la Quintinie (1626–1688), der Obst- und Gemüsegärtner des Königs, der zum führenden Botaniker und Gartenbauexperten Frankreichs aufstieg, soll in Versailles im »Potager du roi« zwischen Spalierobst und Spargelgarten, »Figuerie« und Sauerampferrabatten um die 15 Sorten Salat kultiviert haben, unter anderem »Grosse blonde paresseuse«, »Romaine«, »Capucine«, »Bellegarde«, »Perpignane«, »Impériale« (Georges Gibault, Histoire des légumes). Um dem König immer das Beste an frischem Gemüse, Kräutern und Früchten für dessen Tafel liefern zu können, setzte der Gärtner seinen Ehrgeiz (erfolgreich) darein, vieles früher als anderswo zur Reife zu bringen, auch außerhalb der eigentlichen Saison, und die Erntezeiten erheblich auszudehnen. Dafür nutzte La Quintinie außer Gewächshäusern einerseits die Unmengen an warmem Pferdemist, die in den »écuries« anfielen, den königlichen Ställen, andererseits deckte er die Pflanzen auch mit Glasglocken, Frühbeeten und Strohmatten ab. In seinem Werk »Instruction pour les jardins fruitiers et les potagers« ist dem »fumier«, dem Einsatz von Mist, ein ausführliches Kapitel gewidmet.

 

 

Der Gärtner und sein Herr

Ein Gartenfreund, halb Städter und halb Bauersmann,

Besaß bei einem Dorf ein hübsches Gartenfeld.

Das hat er voller Fleiß bestellt

Mit Ampfer und Salat und was man brauchen kann,

Um Margot sonntags einen Strauß zu binden:

Jasmin und Quendel waren dort zu finden.

Da dies Idyll ein Hase störte, ging der Mann

Zum Schloßherrn, um darüber Klage vorzubringen.

»Es nimmt«, so sprach er, »abends spät und morgens früh

Dort seinen Wechsel das verfluchte Vieh.

Es spottet aller Schlingen,

Und Steine nicht noch Knüppel können es bezwingen.

Ein Hexenmeister scheint’s zu sein!«

»Ein Hexenmeister?« lacht der Herr; »ich hege Zweifel,

Doch wär es selbst der Teufel,

Mein Hektor fing ihn ein!

Bei Gott, mein Freund, ich werde dich davon befrein!«

»Und wann?« – »Und morgen – unverzüglich.«

Auf morgen kam man also überein.

Der Herr erscheint mit Hund und Leuten hinterdrein.

»Frühstücken wir!« sagt er vergnüglich.

»Sind deine Hühner zart? – Sieh da, dein Töchterlein!

Tritt näher, Schätzchen! Nun, wann soll denn Hochzeit sein?

Wann haben wir den Eidam hier?

Man säume nicht, daß man die Sache vorbereite.«

So knüpft er die Bekanntschaft an mit ihr,

Gewährt ihr Platz an seiner Seite,

Nimmt ihre Hand, den Arm und hebt gelind

Ihr Busentüchlein – Späße, deren dieses Kind

Sich aus Respekt nur zag erwehrt,

Was ihrem Vater kein Gefallen abgewinnt.

Inzwischen wird die Küche arg geleert.

»Sind deine Schinken frisch? Sie sehn vorzüglich aus!«

»Herr, sie sind Euer.« – »Oh, wir nehmen gern sie mit!«

Der Herr hält Mahl mit seinem ganzen Haus,

Auch Hund und Pferde zeigen großen Appetit.

Der Herr befiehlt herum und nimmt sich viel heraus,

Trinkt unsers Landmanns Wein

Und kost sein Töchterlein.

Dem Frühstück folgt der Jagdtumult.

Man rüstet, lärmt voll Ungeduld,

Die Hörner und Trompeten toben drein,

Es scheint die Hölle los zu sein!

Wie hat man da den armen Garten zugerichtet!

Ihr schönen Beete all, ade!

Ade, Zichorie und Porree!

Der Biedermann steht wie sein Garten ganz vernichtet.

Kaum reicht es noch für einen Teller Suppe hin.

Der Hase saß versteckt in einem Kohlbeet drin;

Man sucht und hetzt ihn, und er flüchtet

Schnell durch ein Loch der Hecke, das der Herr zuvor

Dort hauen ließ; doch war’s kein Loch, es war ein Tor,

Damit man hoch zu Pferde durch die dichten Hecken

Das Wild verfolgen könne, um es hinzustrecken.

»Ach,« rief verzweifelt unser Mann,

»Das hier sind fürstliche Vergnügen!«

Jedoch er mußte in Geduld sich fügen,

Denn keiner hörte seine Klagen an.

Man jagte weiter um die Wette,

Und mehr Verwüstung machten sie in einer Stunde,

Als die gesamte Hasenschar aus weiter Runde

In hundert Jahren angerichtet hätte.

 

Ihr kleinen Fürsten, schlichtet euren Streit allein,

Ihr wäret Narren, zögt ihr Könige hinein.

Ihr Beistand würde nicht zu eurem Heile frommen,

O laßt sie nie auf euren Grund und Boden kommen!

 

Quelle: La Fontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923

http://www.zeno.org/nid/20005226228

 

Le Jardinier et son Seigneur

Un amateur du jardinage,
Demi-bourgeois, demi-manant,
Possédait en certain village
Un jardin assez propre, et le clos attenant.
Il avait de plant vif fermé cette étendue.
Là croissait à plaisir l’oseille et la laitue,
De quoi faire à Margot pour sa fête un bouquet,
Peu de jasmin d’Espagne, et force serpolet.
Cette félicité par un lièvre troublée
Fit qu’au Seigneur du bourg notre homme se plaignit.
»Ce maudit animal vient prendre sa goulée
Soir et matin, dit-il, et des pièges se rit;
Les pierres, les bâtons y perdent leur crédit:
Il est sorcier, je crois. — Sorcier? je l’en défie,
Repartit le Seigneur: fût-il diable, Miraut,
En dépit de ses tours, l’attrapera bientôt.
Je vous en déferai, bon homme, sur ma vie.
— Et quand? —Et dès demain, sans tarder plus longtemps.«
La partie ainsi faite, il vient avec ses gens.
»Çà, déjeunons, dit-il: vos poulets sont-ils tendres?
La fille du logis, qu’on vous voie, approchez;
Quand la marierons-nous? quand aurons-nous des gendres?
Bon homme, c’est ce coup qu’il faut, vous m’entendez,
Qu’il faut fouiller à l’escarcelle.«
Disant ces mots, il fait connaissance avec elle,
Auprès de lui la fait asseoir,
Prendre une main, un bras, lève un coin du mouchoir,
Toutes sottises dont la belle
Se défend avec grand respect:
Tant qu’au père à la fin cela devient suspect.
Cependant on fricasse, on se rue en cuisine.
»De quand sont vos jambons? ils ont fort bonne mine.
—Monsieur, ils sont à vous. — Vraiment, dit le Seigneur,
Je les reçois, et de bon cœur.«
Il déjeune très-bien; aussi fait sa famille,
Chiens, chevaux, et valets, tous gens bien endentés:
Il commande chez l’hôte, y prend des libertés,
Boit son vin, caresse sa fille.
L’embarras des chasseurs succède au déjeuné.
Chacun s’anime et se prépare:
Les trompes et les cors font un tel tintamarre
Que le bon homme est étonné.
Le pis fut que l’on mit en piteux équipage
Le pauvre potager: adieu planches, carreaux;
Adieu chicorée et porreaux;
Adieu de quoi mettre au potage.
Le lièvre était gîté dessous un maître chou.
On le quête; on le lance: il s’enfuit par un trou,
Non pas trou, mais trouée, horrible et large plaie
Que l’on fit à la pauvre haie
Par ordre du Seigneur; car il eût été mal
Qu’on n’eût pu du jardin sortir tout à cheval.
Le bon homme disait: »Ce sont là jeux de prince.«
Mais on le laissait dire; et les chiens et les gens
Firent plus de dégât en une heure de temps
Que n’en auraient fait en cent ans
Tous les lièvres de la province.

Petits princes, videz vos débats entre vous:
De recourir aux rois vous seriez de grands fous.
Il ne les faut jamais engager dans vos guerres,
Ni les faire entrer sur vos terres.

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