PARISER STADTMOBILIAR: BELEUCHTUNG

Atlas des Stadtmobiliars: Das »Atelier parisien d’urbanisme« (APUR) lässt alle fünf Jahre größte Sorgfalt walten und verzeichnet akribisch das Stadtmobiliar, vom Abfallbehälter bis zum Poller, numerisch in einem Inventar und auf Karten (Atlas du mobilier parisien, Abbildungen ganz unten). Ein Regelwerk zur Stadtverschönerung ist daneben das auf diesen Zahlen aufbauende »Manifeste de la Beauté« der französischen Hauptstadt, das einerseits das historische Erbe (insgesamt 16.714 »mâts d’éclairage de style«) schützen will und andererseits gestalterische Vorgaben macht, unter anderem auch für die 100.406 modernen Straßenleuchten. Die ersten Straßenbeleuchtungen wurden hängend oder an Wänden befestigt, doch ab 1850 verbreiten sich die gusseisernen Kandelaber. Was ersetzt oder repariert werden muss, kommt beispielsweise von der Gießerei »Fontes de Paris«, aus deren Katalog sich ganze Wälder klassischer Leuchtenmasten aus Gusseisen zusammenstellen ließen – schließlich haben sie sich die »illumination des villes du monde« auf die Fahne geschrieben (und sind wie Armor Lux, Toiles du Soleil, Jars Céramistes, Tolix oder Causse Gantier als »Entreprise du Patrimoine Vivant« ausgezeichnet, als Traditionsunternehmen, das das kulturelle Erbe Frankreichs lebendig hält).

Künstliche Helligkeit: Mittelalterliche Städte waren nur spärlich mit Fackeln erleuchtet, und alle, die überhaupt nachts im Dunkeln unterwegs waren, mussten ein Licht mitführen oder konnten sich einen Fackelträger mieten (der ihnen im wahrsten Sinne des Wortes heimleuchtete). Die zentral organisierte Straßenbeleuchtung begann im 17. Jahrhundert mit fest installierten Kerzenlaternen: 1667 ordnete Polizeichef Nicolas-Gabriel de La Reynie an, einige Straßen mit Laternen auszuleuchten, um die Sicherheit in Paris zu erhöhen. Ein Jahrhundert später, in den 1760er-Jahren, ersetzen Öllampen des Modells »Bourgeois de Château Blanc« die Kerzenlichter, auf die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederum Gaslampen folgten. Sie mussten einzeln angezündet werden – der »allumeur des réverbères« zählt heute zu den ausgestorbenen Berufen. Ein Laternenanzünder sollte möglichst nicht mehr als 25 Leuchten entzünden müssen, da er dies innerhalb von jeweils 20 Minuten vor und nach einem festgelegten Zeitpunkt zu schaffen hatte (Dulaure, Histoire de Paris, 1835, zitiert nach Walter Benjamin, Das Passagen-Werk).

Beleuchtungsarten: Wolfgang Schivelbusch hat in seinem Buch »Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert« die Geschichte der langsamen Durchsetzung der Gasbeleuchtung in Paris beschrieben. Bei der grundlegenden Modernisierung der Metropole unter Napoleon III., für die Baron Haussmann verantwortlich war, wurden die neu entstehenden Boulevards und Avenuen gleich mit Stadtmobiliar ausgestattet, mit Bänken, Kiosken und Leuchten in festgelegten Abständen. Entscheidend schneller geht es daher ab der Mitte des Jahrhunderts: Um 1850 gab es in Paris 12.400 Gaslampen, 1870 bereits mehr als 23.000, wenn die Wikipedia-Zahlen im Artikel »Eclairage des rues à Paris« stimmen (eine Quellenangabe fehlt). Zuerst ließ das Gaslicht die vornehmen Quartiere im Zentrum – Place Vendôme, Place du Carrousel, Rue de Rivoli, Rue de la Paix, die Boulevards – und die Passagen hell erleuchten, die ärmeren Quartiere der Randbezirke blieben noch für längere Zeit im Dunkeln. Mit der Einführung der elektrischen Beleuchtung, die die Leuchtkraft von Gas noch übertrifft, entwickelt sich in den 1880er-Jahren zwischen den europäischen Metropolen geradezu ein Wettbewerb um blendende Helle – Licht und Elektrifizierung gelten nun »als Ausweis der Modernität einer großen Stadt«, schreibt Joachim Schlör in »Nachts in der großen Stadt. Paris, Berlin, London 1840 bis 1930«. Im Jahr 1900 gibt der Palais de l’Electricité, der beeindruckendste Pavillon auf der an Attraktionen alles andere als armen Weltausstellung, der Bezeichnung von Paris als »ville lumière« noch einmal eine ganz neue Bedeutung. Aber erst in den 1960er-Jahren erlosch die letzte Gaslaterne in Paris.

Passagen und Warenhäuser im Lichterglanz: In Paris entstanden ab der Wende zum 19. Jahrhundert die ersten glasüberdachten Ladenstraßen, vor allem zwischen 1800 und 1860. Auch das künstliche Licht zog hier ein, Walter Benjamin hält in seinen Notizen fest, die erste Gasbeleuchtung habe es 1817 in der Passage des Panoramas gegeben (Das Passagen-Werk). Auch in einer weiteren Erfindung des 19. Jahrhunderts, den großen Warenhäusern, erhöht die Beleuchtung deren Attraktivität. In seinem 1883 erschienenen Roman »Au Bonheur des Dames« (Das Paradies der Damen) beschreibt Emile Zola, wie pompös der Neubau eines Warenhauses eingeweiht wird, der gleich einen ganzen Straßenblock einnimmt. Hunderte von Francs hatte schon die Reklame gekostet, vierhunderttausend Kataloge waren gedruckt und versandt worden, nun herrscht den ganzen Tag über Gedränge im Gewühl der Kauflustigen, »ein unvorstellbarer Tumult«.

»Es schlug sechs Uhr. Draußen ging der Tag zur Neige, und das Licht wich allmählich aus den noch immer übervollen Gängen. Man zündete eine nach der anderen die elektrischen Lampen an, deren strahlende Milchglaskugeln in ihrer endlosen Zahl erst die ganze Ausdehnung der Geschäftsräume ahnen ließen. Als alle brannten, stieg ein Gemurmel des Entzückens empor; die große Weißwarenausstellung nahm in dieser neuen Beleuchtung einen feenhaften Glanz an. Es war, als verwandelte sich diese Fülle von Weiß ebenfalls in eine schimmernde Lichtquelle.« Draußen wird der Abendhimmel allmählich fahl, »ein frischer Abendwind strich durch die in Dämmerung gehüllten Straßen, die nur vor dem ›Paradies der Damen‹ durch die elektrischen Lampen der Geschäftsräume hell erleuchtet waren.« (Übersetzung: Armin Schwarz)

Kleine Dinge im Stadtraum: Weiteren »Bedeutsamen Belanglosigkeiten«, die Städte unverwechselbar machen, widmet sich der italienische Stadtwissenschaftler und Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lampugnani kenntnisreich in seinem Buch über Stadtmobiliar. Hier im Blog gab es schon Beiträge zu den Fontaine Wallace genannten Wasserspendern, zu Bänken, Pollern und Baumschutzscheiben, zu Metro-Eingängen und Straßenschildern sowie zu den Zeitungskiosken.

Paris Stadtbeleuchtung

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Paris Stadtmobiliar

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