PARIS: PASSAGE DES PANORAMAS
Es regnet in Paris? Kein Grund, den lang ersehnten Stadtbummel ausfallen zu lassen. Wer einen Schietwettertag clever rumkriegen möchte, verlegt die Tour einfach in die schönsten Passagen. Um 1800 wurde die erste Passage gebaut, mehr als 100 konnte man einst zählen. Ein Reiseführer von 1852 beschreibt die glasgedeckten Gänge durch ganze Häuserblöcke als »eine Stadt, eine Welt im Kleinen«. Zum Erfolg der überdachten Ladenstraßen trug nicht unwesentlich bei, dass man selbst bei Regengüssen trockenen Fußes flanieren konnte. Dazu kam bald das künstliche Licht, sodass die Pariser erstmals auch abends noch bummeln konnten.
Die schlechte Nachricht: Viele dieser Passagen gerieten allmählich in Vergessenheit, verfielen oder wurden abgerissen. Gerade mal ein halbes Jahrhundert dauerte die Glanzzeit der glasüberdachten Galerien. Für ihren Niedergang sorgten das Aufkommen der Grands Magasins (die Kaufhäuser Bon Marché, Printemps, Samaritaine und Galeries Lafayette eröffneten 1852, 1865, 1870 und 1899) und der Erfolg der neuen von Bäumen gesäumten Prachtstraßen mit ihren breiten Bürgersteigen, Grünanlagen und Straßenlaternen, die anstelle der ringförmigen Stadtbefestigung angelegt wurden – aus den geschleiften Bollwerken wurden Boulevards.
Und die gute Nachricht: Mehr als ein Dutzend Passagen haben Denkmalschützer vor dem Abriss gerettet – wie beispielsweise Galerie Vivienne, die Galerie Véro-Dodat oder Passage du Caire. Glasdächer, Mosaik- oder Fliesenböden und Holzvertäfelungen wurden sorgsam restauriert und verwandelten die Galerien wieder in lichte Einkaufswelten mit hübschen Läden und kleinen Restaurants. Die Passage des Panoramas hatten eine Zeitlang fast nur noch Philatelisten aufgesucht, denn neben dem legendären Drucker Stern waren hier Briefmarkenhändler ansässig – die beste Zeit der Passage schien vorbei. Nach Jahren im Dämmerschlaf ist die Passage des Panoramas nun wieder belebt, vor allem mittags, seit dort einige angesagte Lokale einzogen. Bei Adar gibt es israelisch-mediterrane Mezze und Tagesgerichte, im Café Gourmand Culottée Frühstück und am Wochenende Brunch, und bei % Arabica »Coffee to go« und frisch geröstete Kaffeebohnen für zuhause. Auch in den Weinbistros Racines und Coinstot vino ist meist kein Platz mehr frei, denn klein mit nur einer Handvoll Plätze sind alle Lokale. Das Kabinett des Graveurs Stern, einst Lieferant edler Briefbögen und Visitenkarten für die Bourgeoisie, steht unter Denkmalschutz, eingezogen ist aber auch hier mit dem Caffè Stern längst ein (italienisches) Restaurant, und hinter einer sehenswerten Second-Empire-Holzvertäfelung residiert das Restaurant Canard et Champagne.
Panorama? Ihren Namen verdankt die um 1800 erbaute Passage den beiden Panoramen, die hier einst zu bewundern waren, also in Rundbauten dargebotene Landschaften oder historische Szenerien auf Leinwand. Das Publikumsvergnügen des 19. Jahrhunderts beschrieb Walter Benjamin so: »Blick von einer erhöhten und mit einer Balustrade umgebenen Plattform auf die gegenüber und darunter liegenden Flächen. Die Malerei läuft an einer zylindrischen Wand entlang, hat ungefähr 100 Meter Länge und 20 Meter Höhe« – wie sie heute in digitaler Form in ausgedienten Gasometern ebenfalls wieder Menschenmengen anziehen.
Kommt in die Gänge! Jenseits des Boulevard Montmartre bilden Passage Jouffroy und Passage Verdeau eine Fortsetzung der glasüberdachten Galerien. Das herrlich altmodische Hotel Chopin, ein Plakatladen, der Spazierstockhändler Segas, das vollgestopfte Lädchen für Stickvorlagen Le Bonheur des Dames und das Wachsfigurenkabinett des Musée Grévin wirken so nostalgisch-stimmig in diesem historischen Ambiente wie der englische Supermarkt unpassend.
Métro: Grands Boulevards • Info: www.passagesetgaleries.org