PARISER STADTMOBILIAR: BAUMSCHUTZGITTER

Street Furniture: Stadtmobiliar prägt den öffentlichen Raum der Großstädte, auch wenn wir es oft nicht bewusst wahrnehmen. Ob Sitzbänke oder Straßenleuchten, viele dieser so typischen Objekte in Paris stammen aus der Ära von Baron Haussmann Mitte des 19. Jahrhunderts, dessen Name aufgrund des gewaltigen Umbaus der französischen Hauptstadt bekannter ist als der seines Mitstreiters Gabriel Davioud (1824–1881), der beispielsweise auch die so typischen Bänke entwarf. Neben der Architektur erhielt fast das gesamte Pariser Stadtmobiliar – von Leuchtenkandelabern bis zu den Kiosken – in dieser Epoche des Second Empire seine Gestalt, die Baumschutzgitter werden daher auch »grilles haussmanniennes« oder »grilles Davioud« genannt. Das schöne Gemälde »Le boulevard vue d’en haut« von Gustave Caillebotte aus dem Jahr 1880 mit einer Draufsicht auf Bank und Gitter ist leider in Privatbesitz und nur als Reproduktion öffentlich zu sehen. Die in dieser Zeit entstandenen Stadtansichten des Malers dokumentieren Haussmanns fundamentale Umgestaltung der Metropole. Caillebotte (1848–1894) zeigt den rasanten Wandel des Stadtraums wirklichkeitsnah, mit einer über den Impressionismus hinausgehenden Realistik.

Stadt aus einem Guss: Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war das goldene Zeitalter des Gusseisens für die serielle Produktion von Kleinbauten wie Litfasssäulen (»colonnes Morris«), Pissoirs (»vespasiennes«), Kiosken und Trinkbrunnen (»fontaines Wallace«). Noch Hector Guimard verwendete das Material um 1900 bei den Metro-Eingängen, die gegossene »Pforten« mit der Aufschrift »Métropolitain« sowie Geländer und teils Dächer aus Glas und Eisen nach seinen Entwürfen erhielten. Die runden gusseisernen Gitterscheiben – »grilles d’arbre« – schützen die Wurzeln von Bäumen in der Innenstadt, damit sie auch an stark begangenen Orten überleben, lassen aber dennoch Sauerstoff und Wasser durch. Seit 1860, mehr als 150 Jahre, sind die Gusseisengitter auf den Pariser Trottoirs allgegenwärtig und tragen zum nostalgischen Flair der Metropole bei. Sie bestehen je nach Durchmesser aus zwei bis vier Segmenten, die als »panneaux« bezeichnet werden und zusammen bis zu 240 Kilogramm wiegen (und von 500 bis 2000 € pro Stück kosten). Neben den runden Scheiben und quadratischen Gittern – insgesamt 23.611 hat das Atelier parisien d’urbanisme (Apur) 2022 gezählt – gibt es aufrechte, korbartige Gitter, »corsets d’arbre«, die den Stamm junger Bäume schützen. Die um 1860 gegründete Fonderie Dechaumont beispielsweise fertigt bis heute Gullydeckel, Poller, Radbügel, Bankstützen sowie runde, quadratische und rechteckige Baumschutzgitter in großer Vielfalt (www.fonderies-dechaumont.com).

Baumpässe: In Paris gibt es rund 100.000 Straßenbäume (also ohne den Bestand in Stadtwäldern, Parks und Friedhöfen mitzuzählen), deren Zustand die »agents sylvicoles« der Stadtverwaltung alljährlich prüfen. Jeder Baum hat dabei seine eigene digitale Kennkarte, eine »carte d’identité informatique«. Auf 30 von insgesamt 66 Hektar der stadteigenen Baumschule werden Nachwuchsbäume herangezogen, die kranke Exemplare ersetzen oder zusätzlich gepflanzt werden, insgesamt sind das etwa 3000 pro Jahr. Das ehrgeizige Ziel sieht noch eine deutliche Vervielfachung des Grüns (weitere 170.000 Bäume bis 2026) in einer der dichtbesiedelsten Städte Europas vor – Hut ab vor diesem ökologischen Umbau für mehr Biodiversität, bessere Luftqualität und weniger Hitzeinseln.

Urbane Möblierung im Wandel: Die Kritik an den schweren Gusseisengittern betrifft einerseits ihr Gewicht, das es schwierig macht sie anzuheben (beispielsweise um den Untergrund von Kippen säubern), und andererseits ihr Gefahrenpotenzial als Stolperfalle. Im Lauf der Jahrzehnte gab es Entwürfe für moderne Versionen, so etwa vom Landschaftsarchitekt Michel Corajoud 1998 für die Avenue d’Italie (13e). Neuerdings geht es im Zuge nachhaltiger Stadtplanung allerdings auch darum, die Baumscheiben zu begrünen. So können Anlieger mit Erlaubnis (»permis de végétaliser«) die Baumscheiben bepflanzen (hier in Köln legt einem die Stadt da große Steine in den Weg), teils tut die Stadt das auch selbst, etwa an den Champs-Elysées. Das »Manifest für die Schönheit von Paris« von 2021 enthält Leitlinien, um einerseits das historische Stadtmobiliar zu erhalten und zu restaurieren, zugleich aber die ökologische Wende einzuleiten. Als Instrument der Stadtplanung gibt es dafür sogar einen kartografischen »Atlas du mobilier urbain«, der den Bestand inventarisiert und den das Atelier parisien d’urbanisme (Apur) erstellt, zuletzt 2017 und jetzt 2022 erneut.

Kleine Dinge im Stadtraum: Woran erkennt man auf einem Foto, dass es sich um Paris handelt, auch wenn kein bekanntes Wahrzeichen zu sehen ist? An den unscheinbaren, aber ubiquitären Objekten, die sich seriell über die ganze Stadt verteilen: Abfallbehälter, Poller und Straßenlaternen, Baumscheiben und Gullydeckel, Stadtmobiliar wie Bänke, ja sogar am Straßenpflaster, Gehwegsteinen oder Hausnummernschildern lässt sich Paris identifizieren. Über die Rolle von solchen Details für die urbane Identität – vom Kiosk bis zur Anschlagsäule – geht es im Buch »Bedeutsame Belanglosigkeiten« des italienischen Stadtwissenschaftlers und Architekturhistorikers Vittorio Magnago Lampugnani. Hier gab es schon Beiträge zu den Fontaine Wallace genannten Wasserspendern und zu Bänken, weitere zur Beleuchtung und Pollern folgen demnächst. Nur auf Französisch ist die Studie von Kévin Rodallec zu lesen: »La grille d’arbre. Un produit en mutation dans le projet urbain« (Lille 2018), in der noch mehr Wissenswertes über Baumschutzgitter in Frankreich steht.

Paris Stadtmobiliar Baumschutzgitter

Paris Stadtmobiliar Baumschutzgitter

Paris Radständer Baumschutzgitter

Paris Baumscheibe

Paris Baumscheiben