STRASSENBÄUME IN PARIS
»Straßenbegleitgrün«: 500.000 Bäume gibt es in Paris, darunter 110.000 Straßenbäume, die für Schatten und Abkühlung sorgen, Lärm dämpfen, als Staubfilter und Sauerstoffproduzenten die Luftqualität verbessern und Insekten und Vögeln Lebensraum bieten. Zusammen kommen sie auf rund 700 Kilometer der 1650 Kilometer gesamt an öffentlichem Straßenraum, vor allem entlang von Boulevards und Avenuen, die breiter als 19 Meter sind. Bis 2026 kommen laut »Plan arbre« 170.000 weitere sukzessive hinzu, darunter 8000 Straßenbäume und 70.000 Bäume entlang des Périphérique. Die Pariser Stadtverwaltung ist für die Pflege dieser Bäume zuständig, muss sie regelmäßig auf Schäden untersuchen, entfernt kranke, morsche oder abgestorbene Exemplare und pflanzt neue. Auf den Einsatz von Fungiziden und Insektiziden wird dabei schon seit Längerem verzichtet.
Digitales Baumkataster: Mit der Überwachung und Pflege der rund Bäume intramuros ist der städtische »Service de l’Arbre et des Bois« beauftragt. Jährlich werden sie inspiziert, längst mit digitaler Unterstützung: Jeder Baum hat eine eigene »carte d’identité« mit diversen Daten, etwa dem Pflanzdatum, Informationen zur Bewässerung, zum Auslichten, zum Zustand und zu Schäden. Einmal jährlich findet eine Sichtkontrolle statt. Zusätzlich können bei Schadsymptomen weitergehende Baumprüfungen vorgenommen werden (etwa eine Bohrkernentnahme). Die acht verbreitetsten Baumarten sind Platanen (33 Prozent), Kastanien (15 Prozent), Silberlinden (11 Prozent), Japanische Schnurbäume, Spitzahorn, Zürgelbaum, Baumhasel und Chinesische Wildbirne. Sie müssen sich im Stadtklima unter Bedingungen behaupten, die mit ihrem natürlichen Biotop Wald wenig zu tun haben, daher benötigen sie besondere Aufmerksamkeit. Zudem leiden wegen des Klimawandels viele gängige Baumarten unter Hitzestress, da sich Städte mit ihren Betonschluchten und versiegelten Asphaltflächen weit mehr aufheizen.
Stress für Bäume: Der Straßenrand ist eigentlich kein geeigneter Lebensraum für Bäume, stark verdichteter Boden, Wassermangel durch wochenlange Dürre, Hitzestress, mangelnder Wurzelraum, Auto-Abgase und Reifenabrieb, Feinstaub, Hunde-Urin, Baustellen und Verkehrsschäden beeinträchtigen ihr Wohlergehen. Selbst »noise pollution«, von Menschen verursachter Lärm, schadet Pflanzen, wie eine neuere Studie zeigt (Quelle: Kai-Ove Kessler in seinem Sachbuch »Die Welt ist laut. Eine Geschichte des Lärms«, Seite 400, www.eurekalert.org/news-releases/546387). Den Straßenbäumen setzt die urbane Umgebung tagtäglich zu, deutlich mehr als einem Baum im Park oder auf einem Friedhof, ums Überleben müssen sie kämpfen. Trotz der Überwachung stürzen jedes Jahr rund 20 Bäume unerwartet um, was an Extremwetter mit Hitzeperioden oder Starkregen liegen kann. Auch Auffahrschäden oder unsichtbarer Parasiten-, Bakterien- oder Pilzbefall kann Bäume so weit schwächen, dass sie zur Gefahr werden können und es zu Astbruch oder Baumbruch kommt. Die meisten Baumkrankheiten befallen nur eine bestimmte Art, sodass bei einseitiger Bepflanzung daraus schnell eine Epidemie wird. Nach einer notwendigen Fällung werden die Straßenbäume ersetzt, die Stadtverwaltung pflanzt jährlich im Durchschnitt 1500 neue Bäume. In einem der schönsten Romane von Patrick Modiano, »Im Café der verlorenen Jugend«, fällt einem seiner Protagonisten ein Plakat am Stamm eines Baumes auf, dieser sei gefährlich und werde demnächst gefällt.»Ein paar Sekunden lang glaubte ich, ich hätte einen bösen Traum. Ich stand da, wie versteinert, und las nur immer wieder dieses Todesurteil.« (Carl Hanser Verlag, München 2012, aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Edl). Roland setzt seinen Spaziergang fort, doch es fällt ihm schwer, an etwas anderes zu denken, und nur langsam gewinnt er seine Ruhe wieder…
Stadtbäume der Zukunft: Das »Centre horticole de la Ville de Paris« war früher bei den Serres d’Auteuil, heute befindet sich die städtische Baumschule in Rungis (und weiteren Orten). Auf 84 Hektar kultivieren 135 Gärtner und Arbeiter im Freien und in Gewächshäusern jährlich 2,5 Millionen Pflanzen, neben Stauden und Sträuchern, saisonalen Blütenpflanzen und Zimmerpflanzen rund 5000 Bäume. Hier wird auch für Vielfalt gesorgt, mit rund 190 Baumarten, darunter vorwiegend Laubbäume und nur knapp 10 Prozent Nadelbäume. Denn es gilt einerseits, neue Baumsorten für die Zukunft zu testen, die dem Klimastress gewachsen sind, und andererseits Monokulturen, die anfälliger für Schädlings- und Krankheitsbefall sind, zu verringern. Eine Diversifizierung der Arten jenseits der bislang überwiegenden Platanen und Kastanien ist ein explizites Ziel. In Paris werden inzwischen häufig Zürgelbaum, Baumhasel, Birnbäume, Olivenbäume und Steineichen gepflanzt, die sich dem Stadtklima gut anpassen.
Natur in der Stadt: Der stadteigene Bedarf ist in der Baumschule schon 8–10 Jahre gewachsen, bevor die Jungbäume eingepflanzt werden. Am vorgesehenen Standort wird dann eine etwa 12 Kubikmeter große Pflanzgrube ausgehoben, damit das Wurzelwerk Platz hat, sich auszubilden. Die Stadtgärtner trimmen die Krone regelmäßig, und in den ersten drei Jahren wird von März bis September gewässert (etwa 100 Liter Wasser alle zwei Wochen ), danach muss der »erwachsene« Baum ohne individuelle Pflege zurechtkommen. Dennoch wird er im Auge behalten, denn weder soll er mit seinem Laub Ampeln oder Straßenschilder verdecken noch darf er durch niedrige Äste Radfahrer oder Fußgänger behindern, zudem muss ein gewisser Abstand zu den Häuserfassaden gewahrt bleiben. Nicht mehr alle Bäume erhalten die für Paris so charakteristischen Baumschutzgitter, Anwohner können sich auch um den »Permis de végétaliser« bemühen, mit dem sie dann die Baumscheiben begrünen dürfen.
Quellen: APUR, La canopée des arbres plantées sur les espaces publics parisien, Paris Februar 2023
Tout savoir sur l’arbre à Paris, www.paris.fr/pages/l-arbre-a-paris-199#le-plan-arbre-et-ses-170-000-plantations