KLIMASCHUTZ IN PARIS
Grüne Revolution: Schon vor den Dürre- und Hitzesommern in Folge, nach denen deutsche Städte den Klimanotstand ausriefen, wurde die Pariser Stadtregierung aktiv, um die Auswirkungen des Klimawandels in der französischen Hauptstadt abzumildern und ihren CO2-Ausstoß zu senken (»Plan Climat«). In der Stadt, in der sich im Jahr 2015 fast 200 Staaten mit dem »Pariser Klimaabkommen« darauf verständigt haben, die globale Erwärmung zu begrenzen, kämpft die Bürgermeisterin Anne Hidalgo für eine bessere Luftqualität. Seit 2014 ist Anne Hidalgo im Amt, und mit »eiserner Faust«, wie ein Boulevardblatt schrieb, hat die Politikerin dafür gesorgt, dass inzwischen diverse Pläne in die Tat umgesetzt wurden. Für Touristen sichtbarstes Projekt: Im Innenstadtbereich wurden die zweispurigen Schnellstraßen am Seineufer dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt – heute sind dort Fußgänger, Radfahrer und Skater unterwegs, laden Bars und Spielplätze zum Verweilen ein, wo zuvor durchschnittlich 43.000 Autos am Tag fuhren. Daneben gibt es viele weitere Einzelmaßnahmen, die weniger auffallen, Gemeinschaftsgärten auf Dächern, Brachflächen und stillgelegten Bahnstrecken, Obstbäume auf Schulhöfen und neue kleine Parkanlagen in den Vierteln, wie es sie als die für Paris so typischen »Squares« auch vorher schon gab.
Bis 2050 soll Paris CO2-neutral werden: Die in Spanien geborene Hidalgo, zuvor bereits mehr als zehn Jahre lang stellvertretende Bürgermeisterin und zuständig für Stadtplanung, hat Autos den Kampf angesagt. Autofahrspuren werden schmaler, Bürgersteige breiter, Fahrradschnellwege durch die Stadt entstehen, sogar mit eigenen Unterführungen an Place de la Concorde und Place de l’Etoile. Anne Hidalgo hatte 2015 einen ehrgeizigen Fahrradplan aufgestellt (»Plan Vélo«), mit dem Ziel der Verdreifachung des Radverkehrs in der Stadt. Von damals 700 Kilometern soll die Gesamtlänge der Radwege in Paris bis 2020 auf 1400 Kilometer steigen, etwa die Hälfte ist fertiggestellt. Paris ist eine Fußgängerstadt, 52 Prozent der Wege werden zu Fuß zurückgelegt, ergab die letzte Studie der Stadt zum Thema. Auch für Gehwege und Plätze werden Fahrspuren und Parkplätze stückchenweise zurückgebaut. Insgesamt wurden und werden sieben große Pariser Plätze umgebaut und grüner, Bäume und neue Brunnen wie der Miroir d’Eau auf der Place de la République sollen auch dazu dienen, an den »Hitzeinseln« der Großstadt die Temperatur zu senken. Auch dies als Anpassung an die steigenden Temperaturen in Zeiten des Klimawandels; so prognostiziert etwa GIEC (der »Weltklimarat«) Hitzerekorde von 50 °C bis 2050. Im März 2020 sind Bürgermeisterwahlen, und dann möchte Anne Hidalgo, die erneut kandidiert, mit dem klaren Bekenntnis zur grünen Stadt wiedergewählt werden. So sollen Dieselautos und Benziner langsam aus der Stadt verbannt werden. Für Dieselfahrzeuge, die vor 2001 zugelassen wurden, gilt seit Juli 2019 ein Fahrverbot. Ab 2020 soll das auf vor 2011 zugelassene Autos erweitert werden. Schon seit 2017 benötigen alle Autos, die in die Pariser Umweltzone (das Gebiet innerhalb des Rings der Stadtautobahn) fahren wollen, eine Umweltplakette (Crit’Air Vignette), je nach Schadstoffausstoß von grau bis lila (emissionsfrei). Kfz, die gar keine oder nur eine graue Vignette aufweisen können, müssen die Straßen der französischen Hauptstadt meiden. Bis 2024 ist geplant, für ganz Paris ein generelles Diesel-Fahrverbot durchzusetzen. In Frankreich sind dies die bisher drastischsten Pläne zur Verbesserung der Luftqualität. Die U-Bahn-Linien wiederum werden um mehrere Stationen in die Vorstädte erweitert. Jährlich soll der Autoverkehr so um 5 Prozent abnehmen.
Débitumiser Paris: »20.000 neue Straßenbäume bis 2020«, das wurde 2014 offiziell als Ziel angepeilt, um Paris von mit Asphalt versiegelten Flächen zu befreien und mehr Platz für Grün in der Stadt zu schaffen. Der 15000. Baum wurde im März 2019 auf der neu gestalteten Place de la Bastille gepflanzt, 5000 weitere sollen noch bis zum Jahresende folgen. Insgesamt kümmert sich die Stadt bereits um 500.000 Bäume (100.000 davon an Straßen, 100.000 in Parks, Friedhöfen, auf Schulhöfen und an Sportstätten sowie 300.000 in den Stadtwäldern Bois de Boulogne und Bois de Vincennes). Sie werden jährlich begutachtet und haben eine eigene »Carte d’identité« mit Pflanzjahr, Diagnose und anderen Hinweisen. Pariser mit Garten bekommen auf Wunsch Bäume geschenkt (»Des arbres dans mon jardin«). Außerdem sind vier »Stadtwälder« geplant, hinter der alten Opéra Garnier, vor dem Rathaus, auf dem Bahnhofsvorplatz der Gare de Lyon und an den autofreien Seine-Ufern. Wie so etwas aussehen kann, zeigt der »Forêt Linéaire« zwischen Rue Emile Bollaert und Périphérique im 19. Arrondissement, der 2014 gepflanzt wurde. Selbst die Champs-Elysées sollen zur Grünanlage werden. Noch Zukunftsmusik ist die begrünte Brücke zwischen Trocadéro und Eiffelturm.
Paris neu erfinden: Anwohner sind aufgefordert, Stadtbäume zu »adoptieren«, Patentschaften für ganze Straßen zu übernehmen, Fassaden zu begrünen und Dächer zu bepflanzen. Auch sonst sind die Mitbürger zum Mitmachen eingeladen: Mit dem öffentlichen Wettbewerb »Réinventer Paris« will Bürgermeisterin Anne Hidalgo die französische Metropole mit zukunftsweisenden Ideen neu beleben (so waren etwa innovative und umweltverträgliche Vorschläge für ungenutzte unterirdische Räume gefragt wie etwa die Geisterstationen der Métro). Gerade startet das größte Urban-Farming-Projekt Europas im 15. Arrondissement –14.000 Quadratmeter Fläche auf dem Dach der Pariser Expo Porte de Versailles werden ab dem Frühjahr 2020 für Landwirtschaft genutzt. In der Hochsaison soll dieser städtische Bio-Nutzgarten dann pro Tag bis zu 1000 Kilogramm Obst und Gemüse als Ernte liefern und dank kurzer Transportwege Vorbild für nachhaltige Lebensmittelproduktion werden. Ähnliche Dachfarmen gibt es bereits in New York und Chicago; die bislang größte europäische Urban Farm dieser Art in Den Haag (2016 gestartet) musste allerdings 2018 Insolvenz anmelden.
© Ville de Paris