TYPOTRAVELETTE UNTERWEGS: VERTIKALE SCHRIFT IN KÖLN

Schriftzeichen der Stadt: In den Straßen, auf Fassaden und Verkehrsmitteln, auf Ladenschildern, Leuchtreklamen und Graffiti, Leitsystemen und Verkehrsschildern: Schrift am Bau und im öffentlichen Raum belebt nicht nur das Straßenbild, sondern prägt ganze Städte – ob klein und fein oder auffällig-überdimensional. Eine ganze Schriften- und Schilderwelt tut sich für alle die auf, die die Augen offen halten. Jeder Schriftzug erzählt dabei eine Geschichte, lässt Epochen und Moden erkennen. Leider immer seltener: Durch das Verschwinden älterer Buchstaben und Beschilderungen aus dem Stadtraum gehen auch Erinnerungen verloren… Schriftzüge verschwinden nicht nur aus dem Blick, sondern auch aus unserer Erinnerung. Und durch den wirtschaftlichen Erfolg internationaler Konzerne und Ketten sind leider in immer mehr Städten nur dieselben Schriftzüge und Logos zu sehen. Selbst das lokale Kölsch macht sich als Sprache bei Beschriftungen rar.

Wort-Bilder: Die Beschriftung im öffentlichen Raum wird trotz ihrer Omnipräsenz im Alltag im Fachbereich der Typografie meist außer acht gelassen, da es vornehmlich um die Typografie mit Satzschriften im gedruckten Buch oder Grafikdesign geht. Ausnahmen sind die Arbeiten von Fritz Grögel und Agnès Laube, Projekte wie das Buchstabenmuseum in Berlin und die Ghostletters Vienna. Ich habe hier schon Blogbeiträge zu Leuchtreklame, Mosaikschriften, alten Werbe-Schriftzügen, Ladenschildern, Trottoir-Typografie, Kalligraffiti und mehr in Frankreich und insbesondere in Paris veröffentlicht. Bei allen Drucksachen folgt die Schrift horizontalen Zeilen. Vertikal als Kolonne angeordnete Schrift gibt es (außer im Japanischen, Chinesischen und Koreanischen) nur in experimentellen Gedichten – und auch da selten (zum Beispiel Christian Lippuner, »Sein zu dürfen, was man ist«, Guillaume Apollinaire, »il pleut«, oder der »Lesewald« von Ferdinand Kriwet, eine raumgreifende Textinstallation), die visuelle Poesie erschafft meist »Sehtexte«, Bilder aus Buchstaben und Worten. Den vertrauten Akt des Lesens will die visuelle Poesie ungewohnt und sinnlich erfahrbar machen und die Grenzen zwischen Literatur und bildender Kunst auflösen.

Typografie vertikal: Der große Unterschied zwischen Schrift im gedruckten Buch und Schrift im öffentlichen Raum besteht darin, dass es einmal um Lesbarkeit, das andere Mal um Sichtbarkeit geht. In der Stadt ist ein vertikaler Schriftzug ein probates Mittel, Werbung aus der Fläche in den Raum zu erweitern. Seit Ende des 19. Jahrhunderts erhöhte sich der Werbedruck auf die Städte so enorm, dass nicht mehr nur Ladenschilder und Häuserfassaden Schriftzüge trugen, sondern sich diese zusehends von der Architektur lösen und davor oder darauf aufgehängt oder befestigt werden. Ihren Höhepunkt, den öffentlichen Raum als Werbefläche zu begreifen, findet dies in den Einkaufsstraßen der Großstädte – nicht nur in Tokio, London oder Las Vegas, auch in Köln überwuchert der »Schilderwald« Schildergasse und Hohe Straße. Immerhin ist an »Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, oder in deren Nähe, die Werbung eigenverantwortlich mit dem Stadtkonservator/in, Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege abzustimmen«, so die Bauaufsicht der Stadt Köln. Viele wirklich vertikale Schriftzüge sind nicht darunter, mit um 90 Grad gedrehten Schriftzügen machen es sich die Konzerne und Ketten leicht, und die Leserichtung ist (wie auf Buchrücken) – mal von unten nach oben, mal umgekehrt – eher willkürlich.

Typo Köln Schildergasse

Typo Köln Eigelstein

Typo Köln Hohe Straße