ROHMILCHKÄSE AUS FRANKREICH: SAINTE-MAURE DE TOURAINE

Da habe ich mal aufgepasst! In Japan, so habe ich gelesen, werden Kinder an Essen gewöhnt, indem sie bis zu 30 verschiedene Lebensmittel täglich probieren. Mit einem abwechslungsreichen Speiseplan entwickeln sie viel seltener Allergien und entpuppen sich als unkompliziertere Esser als mit der hier teils propagierten »Beikost«, bei der es tagelang dasselbe Gemüse gibt und immer nur ein weiteres neues Lebensmittel hinzukommt. Ja, was hat das jetzt mit Käse zu tun? Auch für Erwachsene ist eine vielseitige Ernährung sinnvoller als jede Diät. Weil doch viele meiner Lieblingskäse – (vor allem) aus Frankreich – von Beaufort des Alpages über Gaperon und Comté bis zu Saint-Nectaire tagaus, tagein den Frühstückstisch dominieren, habe ich mir selbst eine Ruckrede gehalten, damit nicht immer dieselbe Auswahl im Einkaufskorb landet. Mit dem Chällerhocker aus der Schweiz habe ich gleich einen Volltreffer gelandet – mein neuer Lieblingskäse. Mit dem Ziegenkäse Sainte-Maure-de Touraine aber auch…

Käse aus dem Loiretal: Frankreich sei nicht nur durch eine Butter-/Olivenöl-Grenze in zwei kulinarische Hälften geteilt, heißt es manchmal, sondern die Loire bilde auch die Grenze von Kuhmilchkäse (im Norden) zu Schafs- und Ziegenkäse im Süden. Ganz so einfach ist es nicht. Die Loire ist nicht weniger Ziegenkäseland als die Départements Drôme oder Ardèche rechts und links der Rhône. Zu den (auch in Deutschland) bekanntesten französischen Ziegenkäsen gehören Crottin de Chavignol und Chabichou, Picodon und Pélardon, die ich auch gern kaufe. Jetzt habe ich den Sainte-Maure de Touraine probiert, dessen Markenzeichen ein Strohhalm in der Mitte der Rolle ist, der ein Auseinanderbrechen verhindern soll. Bitte nicht mitessen! Der stangenförmige Ziegenkäse aus Rohmilch ist nach kurzer Reifezeit ein cremiger, milder Weichkäse. Seine bläulich-graue Hülle besteht zum Teil aus Edelschimmel und Holzkohlenasche mit Salz, in der der Sainte-Maure gewälzt wird. Die etwa 16 bis 17 Zentimeter langen Käsestangen mit 4 bis 5 Zentimeter Durchmesser und einem Gewicht von rund 250 Gramm sind seit 1990 durch eine Appellation d’Origine Contrôlée (AOC, heute AOP) geschützt. Hergestellt wird der Sainte-Maure de Touraine vor allem im Département Indre-et-Loire und angrenzenden Gemeinden rund um den gleichnamigen Ort. Er reift mindestens zehn Tage, mit zunehmenden Alter wird der Ziegengeschmack intensiver. In Scheiben geschnitten passt er mit Baguette zum Apéro oder in einen Salat und lässt sich auch gut zum Gratinieren verwenden.

Was heißt eigentlich Bio bei Käse? In letzter Zeit halte ich mehr Ausschau nach Biokäse – beim letzten Marktbesuch habe ich daher neben dem L’Agasse du Larzac auch den Sainte-Maure gekauft. Klar macht zuallerst die Milch den Unterschied, von Kühen, Schafen oder Ziegen aus artgerechter Haltung. Größe der Weiden und der Stallfläche spielen eine Rolle bei guten Lebensbedingungen, ebenso ökologisch angebautes Futter (ohne Pestizid- und Kunstdüngereinsatz). Je mehr frisches Futter – frisches Gras im Sommer, Heu im Winter – die Tiere erhalten, desto besser (in der konventionellen Tierhaltung wird vorwiegend Kraftfutter eingesetzt, das zugekauft wird). Und in der Herstellung und Verarbeitung sind weniger Zusatzstoffe erlaubt. Da es auch für viele AOP-Käse wie Beaufort oder Camembert strenge Regeln gibt, spielte »bio« in Frankreich bislang keine größere Rolle bei Käse (sondern eher für Milch): 2018 standen klägliche 8100 Tonnen Biokäse 692.500 Tonnen Gesamtproduktion gegenüber. Und der bislang geringe Anteil an Bio(kuh)milch wächst zwar stetig, wenn auch nicht so schnell wie die Nachfrage – in Frankreich waren es im Jahr 2020 nur 4 Prozent gegenüber beispielsweise 19 Prozent in Österreich oder 13 Prozent in Dänemark. In Frankreich unterscheidet man daher nach wie vor – unabhängig von konventioneller oder Bio-Käseproduktion – eher »fromage fermier« von Molkereikäse: So ein Käse »vom Bauern« muss aus der Milch der eigenen Tiere auf dem Hof selbst hergestellt werden.