PARISER MÉTRO: LE KIOSQUE DES NOCTAMBULES

Perlen aus Muranoglas: Die Treppe unter dem schimmernden Perlenbaldachin mitten auf der Place Colette, direkt vor der Comédie Française, scheint als Eingang in eine Märchenwelt zu führen. Den »Kiosque des Noctambules« der Metrostation Palais-Royal hat Jean-Michel Othoniel gestaltet. Der Pariser Künstler mit Atelier im 3. Arrondissement, dem derzeit bevorzugten Quartier der Kreativen, hatte sich zu Beginn seiner Karriere nicht auf ein Material oder eine Technik festgelegt – bekannt wurde er erst durch seine schimmernden, skulpturalen Installationen mit Glas. Ganze Ketten von überdimensionalen Perlen aus Muranoglas, die vor allem abends und nachts beleuchtet ihre luxuriöse Pracht entfalten, sind sein Markenzeichen geworden. Die beiden Kuppeln über dem Metroeingang bestehen aus rund 800 blauen, roten, bernsteinfarbenen und violetten Glaskugeln und stellen Tag und Nacht dar.

Erste internationale Anerkennung erlangte Othoniel 1992 durch die Teilnahme an der documenta IX in Kassel. Als Stipendiat in der Villa Medici in Rom machte er Ende der 1990er-Jahre mit Glas-Arbeiten in situ auf sich aufmerksam, aus denen sein erster öffentlicher Auftrag resultierte: Im Jahr 2000 – genau 100 Jahre nach Hector Guimard und dessen Métro-Eingängen im Jugendstil – beauftragen die Pariser Verkehrsbetriebe (RATP) den 1964 in Saint-Etienne geborenen Künstler mit der Gestaltung eines Métro-Zugangs.

Brunnentanz in Versailles: Seither ist dem Künstler internationale Aufmerksamkeit sicher, vermutlich auch, weil seine Arbeiten immer ausgesprochen dekorative Wirkung entfalten. Museen wie das Centre Pompidou widmeten den Arbeiten große Ausstellungen, doch ebenso häufig sind fast architekturale Gebilde im öffentlichen Raum. Die Grenzen zu Kitsch werden teils überschritten, etwa wenn Othoniel einfach nur Herzen formt, dann wieder gelingen dem gefragten Bildhauer Werke voll zarter Poesie – beispielsweise im Schlosspark von Versailles. Zum ersten Mal seit 300 Jahren ist mit seiner Brunnenskulptur »Les Belles Danses« dort dauerhaft ein zeitgenössisches Werk zu bestaunen.

Auch der Metroeingang war manchem Zeitgenossen zunächst zu barock und zu verspielt – doch für das Werk spricht, dass es über all die Jahre noch nie Objekt von Vandalismus wurde. Mehr zur Metro:  Porte Dauphine, Abbesses, Jugendstil-Eingänge, Signets, Vielfalt der Eingänge. Und mehr zur Kunst in Metrostationen: Arts et MétiersConcorde, Champs-Elysées-Clemenceau, Saint-Lazare.