PARISER MÉTRO: ABBESSES
Unter Tage: Als mit dem Bau der Pariser Métro im Jahr 1898 begonnen wurde, war eine der Planungsvorgaben, die Stationen in geringstmöglicher Tiefe zu errichten. Herausforderungen beim unterirdischen Tunnelbau waren vor allem die Unterquerung der Seine – und die des Montmartre-Hügels. 129 Meter und ein paar Zentimeter hoch ist der Kalkhügel an seiner höchsten Stelle. Und beim Bau der Métrolinie 12 wurden immer wieder Hohlräume entdeckt: Denn der ganze Berg ist unterhöhlt, weil bis ins 19. Jahrhundert Baumaterial für Paris aus dem eigenen Untergrund gewonnen wurde. Der Name der Place Blanche erinnert noch heute an den weißen Gips, der hier abgebaut wurde. Zu den alten Stollen und Schächten sind Métro, Tiefgaragen, Kanalisation und Keller gekommen – der Berg ist regelrecht unterminiert.
Urban Art: Für die Metrostation Abbesses, etwa auf halber Höhe des Montmartre gelegen, musste daher weit in den Untergrund gebohrt werden. Wer hier aus der U-Bahn steigt und nicht auf den Aufzug warten will, kann sich für den Aufstieg über die Treppen entscheiden. Rund 36 Meter geht es von einer der tiefstgelegenen Haltestellen in Paris nach oben: Was stufenweise treppauf zu erklimmen ist, entspricht etwa zwölf Stockwerken! Die Wände entlang der Wendeltreppen wurden mit Montmartre-Motiven dekoriert, für die die RATP bei der Renovierung im Jahr 2007 eigens Künstler beauftragte. Leider reizen die Wände auch Graffiti-Sprayer zur Verewigung… Zur Station Lamarck-Caulaincourt (in 25 Meter Tiefe) auf der anderen Seite des Montmartre-Hügels fährt die Bahn quasi unterirdisch bergauf. Wen das genauer interessiert, der findet auf dem französischen Wikipedia eine Konstruktionszeichnung: https://fr.wikipedia.org/wiki/Ligne_12_du_métro_de_Paris
Style Métro: Benannt sind die Station wie die oberirdische Rue des Abbesses nach den Äbtissinnen des nahen Benediktinnerinnenklosters, das es im Mittelalter neben der romanischen Kirche Saint-Pierre oben auf dem Montmartre gab. Ein vielfotografiertes Pariser Fotomotiv ist die Métrostation aber wegen ihres Jugendstil-Eingangs. Das florale Design der Eisenträger und -geländer, die vom französischen Architekten Hector Guimard um 1900 im Art Nouveau gestaltet wurden, schockierte die Pariser zur Bauzeit – zudem galt der Schriftzug Métropolitain als schwer lesbar. Heute sind nur noch äußerst wenige solcher Eingänge komplett, also inklusive verglaster Überdachung, erhalten, zum Beispiel an der Porte Dauphine (16e) und Place Sainte-Opportune (1er). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden viele abgebaut und ersetzt. Weil einige dieser markanten Jugendstil-Bauwerke an andere Städte verschenkt wurden, findet man in Lissabon, Montreal und Moskau originale Pariser Metroeingänge!
Doppelleben: Sogar im Film »Die fabelhafte Welt der Amélie« spielt die Métrostation Abbesses mit. Allerdings wird sie sozusagen gedoubelt, denn in dem märchenhaften Kinofilm von Jean-Pierre Jeunet übernimmt die Porte des Lilas (19e, 20e) ihre Rolle. Die Umsteigestation besteht aus drei unabhängigen unterirdischen Bahnhöfen, von denen einer stillgelegt ist: Diese Geisterstation (französisch station fantôme) diente schon häufiger als Filmkulisse für nationale und internationale Produktionen – neben Audrey Tautou standen dort schon Sophie Marceau (»Female Agents«), Meryl Streep (»Julie & Julia«) und andere Schauspieler am Bahnsteig. Übrigens: Noch in einer anderen Hinsicht ist die Métrostation Abbesses ein Ersatzdarsteller – ursprünglich für den Métroeingang am Hôtel de Ville in der Rue Lobau gebaut, wurde die Überdachung 1974 von ihrem damaligen Standort auf den Montmartre verlegt.