PARISER METRO: HAVRE-CAUMARTIN

Pariser Metro: Es gibt spektakulärere Metrostationen, denn einige wurden von Künstlern gestaltet – wie Place de la Concorde mit der auf Kacheln gebrannten Menschenrechtserklärung oder die kupferverkleidete Haltestelle Arts et Métiers im Steampunk-Stil. Wieder andere sind interessant, weil sie technische Herausforderungen darstellten wie die in die Tiefe gebohrte Haltestelle Abbesses, andere, weil sie als Kulissen für Kultfilme dienten. Einige besitzen sehenswerte oberirdische Eingänge – die Porte Dauphine einen der von Hector Guimard (1867–1942) entworfenen Jugendstil-Eingänge, die Station Palais-Royal-Musée du Louvre ein Kunstwerk aus Murano-Glasperlen von Othoniel. Dagegen wirkt Havre-Caumartin im 9. Arrondissement, an der sich zwischen Linie 3 und 9 umsteigen lässt, vergleichsweise unscheinbar. Zu ihren Besonderheiten gehört jedoch, dass sich ihr noch Schichten verschiedener Modernisierungen ablesen lassen, wie sie die Metro im Lauf der Jahrzehnte erfuhr – gerade werden erneut viele Haltestellen umgestaltet und erhalten dabei neue Leitsysteme (unter Verzicht auf die wunderschönen historischen Keramikkacheln für die Stationsnamen).

Modernisierungen: Schon 1904 für die heutige Linie 3 in Betrieb genommen, kam 1923 die Linie 9 hinzu, seit 1999 gibt es auch eine Verbindung zur RER. Den Namen verdankt die Metrostation zwei benachbarten Straßen, der Rue du Havre und der Rue Caumartin, die eine nach der normannischen Hafenstadt benannt, die andere nach einem Marquis. Oben weist das gelbe, beleuchtbare M als Signet auf den Eingang zur Metrostation hin, das in den 1970er-Jahren in Gebrauch war. Zur selben Zeit, ab 1971, wurden die Verbindungsgänge im selben Stil wie die RER gestaltet, mit seckseckigen, kleinformatigen Fliesen in Blau, Weiß und Rot. Große Pfeile weisen den Weg…

Linie 3 und Linie 9: In den 1960er-Jahren wurden rund 30 Metrostationen in der emblematischen Farbe dieser Zeit mit orangefarbenen Kacheln ausgekleidet. Dieser Stil »Mouton-Duvernet« brach radikal radikal mit dem Weiß der Anfänge. Ganz original mit den Kacheln in dreierlei Orange ist dieser Stil hier jedoch nicht zu entdecken, die Quais der Linie 9 spiegeln die Übergangszeit zu Beginn der 1970er-Jahre zum Stil »Motte-Andreu«. Als letzte Metrostation in Paris besitzt sie dunkelorangefarbene Kacheln mit hellerem horizontalem Band. Das Orange blieb nicht lange gelitten, einerseits galt es aggressive Farbe, andererseits schluckte es Licht, daher verschwand diese Gestaltung bald wieder. Ab 1974 (und bis 1984) setzte sich der Stil »Motte-Andreu« durch, benannt nach seinen beiden Designern Joseph-André Motte und Paul Andreu. Die Quais der Linie 3 besitzen die 25 x 50 Zentimeter großen, flachen, weißen Kacheln dieser Zeit, das Budget erlaubte nur dieses preiswertere, von Villeroy & Boch hergestellte Material. Havre-Caumartin ist somit eine der raren historischen Stationen ohne die sonst so typischen an den Kanten abgeschrägten »Metrokacheln«, die inzwischen wieder zum Standard wurden.

Sitze statt Bänke: Aus den 1970er-Jahren stammt auch der »siège coque«, der in verschiedenen Farben auf gekachelten Podesten installiert wurde. Bis heute werden diese Sitzschalen aus Plastik in Rot, Blau, Orange, Gelb und Grün in Serie produziert und sind ikonischer Bestandteil der Pariser Metro. Selbst im Rückblick wird diese Gestaltung als Ersatz für Bänke ausschließlich positiv bewertet, als bessere »Verkehrsführung« ohne Hindernisse und Gestaltung aus einem Guss: »La banquette maçonnée [..] supprime les entraves de circulation et intègre l’ensemble du mobilier. Le flux des voyageurs est ainsi rendu plus fluide«. Weiter heißt es im französischen Wikipedia-Eintrag zum Stil »Andreu-Motte«: »L’assise offre l’avantage d’une grande fiabilité« (Zuverlässigkeit). Während der englischsprachige Begriff »hostile design« Klartext redet, kann das deutsche »defensive Design« nur als euphemistisch bezeichnet werden, denn eine solche Gestaltung von Stadtmobiliar soll »zuverlässig« Obdachlose fernhalten, ist eine bauliche Abwehrmaßnahme.

Printemps: Gleich nach dem Hinaufsteigen von der Métro zum Boulevard Haussmann richtet sich der Blick auf ein prächtiges Belle-Époque-Warenhaus. Aus der Epoche des Second Empire stammte ursprünglich das Gebäude, das der Architekt Charles-Jules Sédille und sein Sohn Paul für das 1865 eröffnete Printemps entwarfen, 1874 kamen vier weitere hinzu. Doch schon 1881 zerstörte ein verheerender Brand das Kaufhaus, Paul Sédille (1836–1900) übernahm auch den Wiederaufbau des Konsumpalasts. Hinter der rein dekorativen Steinfassade verbirgt sich eine Eisenkonstruktion; die Mosaikschrift mit dem Namen »Au Printemps« gestaltete der Keramiker Jules Paul Loebnitz (1836–1895), mit dem der Architekt auch bei vielen weiteren Projekten und den Weltausstellungen 1878 und 1889 zusammenarbeitete.

Paris Metro Havre-Caumartin

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