ON VA DEGUSTER LA FRANCE

3,1 Kilogramm: Soviel wiegt das Buch, das ich zuletzt aus Paris nach Hause geschleppt habe. Ein großer Klotz mit 432 Seiten, eine kulinarische Reise durch Frankreich, ein aufwendig ausgestatteter Bildband über französische Spezialitäten. So dick das Buch auch ist und so schwer es wiegt, eine »Bibel« ist es nicht.

Französische Esskultur: Völlig unhierarchisch aufgebaut, auch nicht geografisch oder alphabetisch sortiert, ohne erkennbare Gliederung ist »On va déguster la France« ein großformatiger bunter Blätterband, mit vielen typografisch und illustrativ außergewöhnlich abwechslungsreich und brillant gestalteten Seiten, ein Sammelsurium im positiven Sinn. Rezepte, Warenkunde, Porträts, Listen, Comics und Landkarten folgen kunterbunt aufeinander, mit Cornichons, gebrannten Mandeln, Croque Monsieur und Zwiebeln (unter anderem) geht’s thematisch ganz unspektakulär los – insgesamt fächert das Buch mit 1250 Spezialitäten, 375 Rezepten und 260 Porträts ein riesiges und vielfältiges Spektrum an Themen auf.

New French: Die jungen Köche in Frankreich haben sich schon lange von den starren Regeln und dem Zeremoniellen der Haute Cuisine befreit, die Bistronomie-Bewegung hat sich breit durchgesetzt: Beste Qualität der Zutaten, unkomplizierte Atmosphäre, reelle Preise und ein unprätentiöser Stil, so lässt sie sich auf einen einfachen Nenner bringen. Ob brutal lokal, Casual Fine Dining oder Sharing – in Sachen Gastronomietrends hat Frankreich mächtig aufgeholt, nachdem es ein paar Jahre schien, als ruhe man sich zu sehr auf den Meriten aus, und auf einmal die nordische Küche Furore machte.

Manger local: Doch was in Berlin als »brutal lokal« gilt oder in Kalifornien »Locavore« heißt, war in Frankreich schon immer selbstverständlich: auf heimische Produkte zu setzen. Und da ich nicht nur gern koche, sondern mich auch die Zutaten interessieren, probiere ich in Frankreich (und hier) gern handwerklich und mit Sorgfalt hergestellte oder angebaute Produkte (in Bio-Qualität). Was leicht an meinen Blogartikeln über Käsesorten, Zwiebeln aus Roscoff, bretonische Butter, kandierte Früchte aus Nizza, Salz von der Insel Noirmoutier, Honig aus der Ardèche und vielen weiteren zu erkennen ist.

Dem Genuss eine Chance: Über all das findet man auch im Buch Informatives – offensichtlich mit großem Spaß am Thema dargestellt und in beeindruckender Vielfalt. Fundstücke: »Les aperitifs oubliés« – neben Lillet und Cap Corse stehen da auch Suze, Byrrh, Picon, Dubonnet und weitere. Die Zitrusfrüchte-Übersicht mit Zitronen aus Menton, korsischen Mandarinen, Bitterorangen aus Nizza uva. Die Senfsorten. Die Austernsorten. Die Brotsorten. Die Zwiebelsorten. Die Knoblauchsorten. Die regionalen Messer! Anne-Sophie Pic. Die Rezepte für aromatisierte Butter. Alte Speisekarten. Die Camembert-Etiketten. Die renommierten Kochschulen. Echte Stinker. Die Parade der Gemüsesuppen. Die alten Hühnerrassen. Die korsischen Weine. Französische Bonbons.

Francois-Régis Gaudry & ses Amis: On va déguster La France, Marabout, Paris 2017

Nachtrag im September 2020: Mitte Oktober erscheint der Klotz auf Deutsch (und ich war an der Bearbeitung für die übersetzte Ausgabe beteiligt): Die Gourmet-Bibel Frankreich, Christian Verlag, ISBN 9783959614009, 70 Euro

REDAKTIONELLER BEITRAG / WERBUNG OHNE AUFTRAG

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