ROSA ZWIEBELN AUS DER BRETAGNE

Zwiebeln vom Ende der Welt: Auf vielen Märkten Frankreichs findet man stolz als regionale Sorte gekennzeichnete Zwiebeln, gelbe, weiße und rote – und in der Bretagne auch rosa Zwiebeln, die ihren Namen der warmen Rosatönung ihrer Schale und dem weißlich-rosafarbenen Fruchtfleisch verdanken. Sie sind im bretonischen Département Finistère (Finis Terrae = Ende der Welt) in dem Gebiet um Roscoff heimisch, von wo ich auch meinen Zwiebelzopf mitgebracht habe. Dort werden die Zwiebeln ab August ausgemacht, die Exemplare für die geflochtenen Zöpfe sogar noch vor der vollständigen Reife: Vor der eigentlichen Ernte werden die Pflanzen von Hand am Grün ein Stück weit aus dem Boden gezogen und so mindestens acht Tage auf dem Feld vorgetrocknet. Seit 2009 mit AOC geschützt, sind die »oignons roses de Roscoff« zugleich mild, sehr aromatisch und enthalten viel Vitamin C – also prädestiniert dafür, nicht nur in Suppen, Zwiebelkuchen oder Quiche zum Einsatz zu kommen, sondern auch roh gegessen zu werden oder als Salat.

Die Johnnies aus dem Finistère: Ihre Blütezeit erlebte die rosa Zwiebel aus der Bretagne im 19. Jahrhundert, als die sogenannten »Johnnies«, arme Bauern aus dem Finistère, nach England übersetzten, wo sie zu Fuß oder mit Fahrrädern von Tür zu Tür gingen und den Briten ihre Ware anboten. Im August überquerten teils mehr als 1500 Johnnies den Ärmelkanal und verkauften die frischen Zwiebeln bis nach Schottland. Ihr Spitzname sei dadurch entstanden, dass der typisch bretonische Name Yann oder Yannick recht häufig war. Die Maison des Johnnies, ein kleines Museum in Roscoff, erinnert an die Händler.

Guter Wein bringt in den Himmel: Alexandre Dumas (1802–1870) nahm sein »Grand Dictionnaire de Cuisine« ab 1868 in Angriff – seinen Artikel über Zwiebeln schrieb er in Roscoff (eine Plakette zeigt an, in welchem Haus er unterkam: 46 rue Gambetta). Sein Artikel beginnt so: »Si pour bien parler d’un sujet, il faut avoir ce sujet sous les yeux, c’est providentiellement que j’ai été conduit à Roscoff au moment où le mot oignon allait se présenter sous ma plume.« Das Wörterbuch wurde ein kulinarisches Jahrhundertwerk, eine Enzyklopädie der Kochkunst, der Gastronomie und des Genusses, die im Jahr 1873, erst nach seinem Tod, erschien. Von abricot (Aprikose), Absinth und agneau (Lamm) bis zu Zander, Zeste und Zuchetti erstrecken sich die Gaumenfreuden, die Dumas auf knapp 1200 Seiten darzubieten weiß. Anekdotisch aufgelockert und oft aus kulturhistorischer Perspektive beschreibt Dumas Zutaten, aber auch Zubereitungsarten wie coulis oder court-bouillon. Darauf folgen dann jeweils einige Rezepte, so im Zwiebel-Artikel erstaunliche sieben Zwiebelsuppen. Die hübsche Rechtfertigung, die Dumas, Gourmet und Gourmand zugleich, im seitenlangen Artikel über Wein einem »amateur de bon vin« bei der Beichte in den Mund legt, wurde zum geflügelten Wort: »Mon père, le bon vin fait du bon sang, le bon sang donne la bonne humeur, la bonne humeur fait naître les bonnes pensées, les bonnes pensées produisent les bonnes œuvres et les bonnes œuvres conduisent l’homme dans le ciel; donc le bon vin doit me conduire au ciel.« (sinngemäß: Guter Wein hebt die Stimmung, gute Stimmung führt zu guten Gedanken, gute Gedanken führen zu guten Werken, und gute Werke führen die Menschen in den Himmel; also bringt guter Wein mich in den Himmel), worauf der Priester sich mit »Ainsi soit-il« geschlagen gibt.

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