DEUTSCHLANDS SCHÖNSTE MÄRKTE: CARLSPLATZ IN DÜSSELDORF
Was war das früher schön! Als ich noch in der Düsseldorfer Bastionstraße wohnte, hatte ich es gut. Denn der Carlsplatz lag direkt vor meiner Tür. Täglich außer sonntags öffnet der Wochenmarkt, und weil Düsseldorf einige gut betuchte Einwohner hat, besticht das Angebot der rund 60 Händler nicht nur durch Qualität sondern auch durch Vielfalt für Feinschmecker. Und wie sich das nach einem Wochenendeinkauf an sonnigen Samstagen gehörte: Damals (vor AHA und Pandemie) drängte man sich noch in geselliger Enge bei einem Glas Wein oder einem frisch gezapften Alt um einen Stehtisch, gern mit meinem Mann und seinen Kollegen von der Westdeutschen Zeitung. Tempi passati…
Genießen wie in Frankreich: Bevorzugt steuere ich die beiden französischen Stände an, die einiges führen, was ich mir sonst gern aus unserem Nachbarland mitbringe. Am Stand »Chez Jean Luc« (B7) verkauft Geraldine Marionneau französische Delikatessen wie Pasteten (Pâté aus Reh, Perlhuhn, Wildschwein, Ente) und Jahrgangssardinen in hübsch gestalteten Dosen sowie eine Käseauswahl mit Gaperon, Fourme d’Ambert, Saint-Marcellin und mehr. Auch ein paar Gewürze von Terre Exotique bekommt man bei ihr, und was nicht im Sortiment vorhanden ist, kann auf Wunsch auch bestellt werden (so vielleicht die Gewürzmischung Raz el-Hanout). Auf Französisch parlieren kann man auch mit Christophe Collin am Stand von »Terre de Provence« (A10), der mit einem beeindruckenden Sortiment an »saucisses«, »terrines«, »rillettes« und »jambon« aufwartet. Die luftgetrockneten Wurstspezialitäten (natur oder mit grünem Pfeffer, Lavendel, Walnüssen, Steinpilzen, Chili, Fenchel oder Knoblauch) werden von kleinen Manufakturen in der Provence, der Camargue und Korsika produziert, der Schinken stammt von der alten Schweinerasse Noir de Bigorre aus den Pyrenäen.
Auch beim alteingesessenen »Gemüse- und Obsthändler Schier« ist der familiär begründete gute Draht nach Frankreich unübersehbar. Auf vielen Schildchen ist es als Herkunftsland genannt für Obst, Gemüse, Walnüsse, Pilze oder Trockenfrüchte, die sich am Stand geradezu auftürmen. Doch besonders ein bekennender Salatfan wie ich kann hier aus dem Vollen schöpfen – französischer Wildkräutersalat, Portulak, Brunnenkresse, rosa Radicchio, Treviso, Spadone, Löwenzahn, Feldsalat, grüner und roter Lollo, heller und roter Chicorée, Castelfranco, Eichblatt und Kopfsalat, Endivie, Frisée, Barbucine… Wer nicht weiß, wie er die teils noch wenig bekannten Spezialitäten zubereiten soll – bis zur Kochbuchhandlung von Frank Petzchen sind es nur wenige Schritte (in dessen Gewölbekeller ich schon in netter Runde an Kochkursen teilgenommen habe).
Spezialisten: Im »Käsehaus Wionczek« (A8) teilen sich französische Hart- und Weichkäse die Aufmerksamkeit der Kunden mit vielen Sorten aus der Schweiz, Italien, Deutschland, Spanien und den Niederlanden. Das »Kartoffelhaus« (F7) offeriert Eier und Zwiebeln, vor allem aber über 50 Sorten Kartoffeln – viele aus Deutschland (von den Bamberger Hörnchen bis zur Moorsieglinde), aber auch exotische Knollen aus aller Welt und die für Salat bestens geeignete La Ratte aus Frankreich. Am Stand der »Carlsplatzblume« (C6) erfreut Floristin Christina Stübner mit kreativ zusammengestellten Sträußen und anderem saisonalen Blumenschmuck. Bei »Concept Riesling« (A5), wo der Wein flaschenweise verkauft und glasweise ausgeschenkt wird, würde ich aus dem Sortiment deutscher Weine den Chardonnay oder Sauvignon Blanc vom Weingut Weedenborn bestellen – aber die Geschmäcker sind ja verschieden… Ist es noch zu früh fürs »Stöffje«, erhalten Kaffeegenießer einen Wachmacher im »KaffeeReich« (D2 und G2) von Ursula Wiedenlübbert, die ihre eigenen Mischungen selbst röstet.
Junges Gemüse aus der Region: Wer Kartoffeln und Kräuter, Brokkoli, Mangold und Spinat, Obst und Eier vom Bauern nebenan möchte, findet diese bei »Biobäuerin Claudia Pesch« (C1). Zugekauft wird saisonal und lokal im Umkreis von etwa 35 Kilometern. Und was aus eigenem Anbau von den Feldern bei Schloss Dyck stammt, ist eigens auf einer Tafel angezeigt. Außer mit Biogemüse und -obst wurde ich hier auch mit vielen Tipps versorgt, wo die schönsten Märkte in Frankreich den Besuch lohnen, wenn das Reisen wieder möglich ist. Explizit rheinische Spezialitäten sind auf dem Carlsplatz nicht gerade ein Aushängeschild, doch zumindest den originalen Düsseldorfer Brauhaussenf ABB-Mostert gibt es bei der »Kräuterhexe« (C2), dort außerdem Tees, Kräuter und Gewürze, Spreewälder Gurken und Honig. Fisch, Fleisch, Feinkost und Backwaren kommen bei meinem Überblick zu kurz, aber selbstverständlich gibt es auch das.
Die Carlstadt: Die ab Ende des 18. Jahrhunderts auf schachbrettartigem Grundriss errichtete Carlstadt ist Düsseldorfs kleinster Stadtteil. Von französischen wie preußischen Soldaten wurde der nach Kurfürst Carl Theodor benannte Carlsplatz noch zum Exerzieren genutzt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich auf der Platzanlage ein Wochenmarkt etabliert. Durch die gute Lage zwischen Carlstadt und Altstadt wird der Markt von Anwohnern, Geschäftsleuten und Touristen besucht – jetzt war der Andrang hier pandemiebedingt eher verhalten. »Auf kulinarischem Gebiet ist die Stadt ein Einkaufsdorado«, heißt es im Marketing-Sprech des Düsseldorfer Tourismusbüros. Das stimmt für den Carlsplatz, doch in den letzten Jahren haben sich verstärkt gastronomische Stände angesiedelt, die nicht nur die traditionellen Reibekuchen oder Backfisch anbieten, sondern auch Sushi, Falafel, Döner oder Currys. Für den handfesteren und bodenständigen Rheinländer offeriert »Josef Dauser« (VK1+2) an der Westseite des Platzes deftige Suppen und Eintöpfe – Kappespott mit Wirsing, Grünkohl, Gulasch-, Erbsen- oder Linsensuppe – und dazu ein Schumacher Alt. Gegen einen Einkehrschwung nach dem Markt habe ich rein gar nichts, im Gegenteil – dennoch hoffe ich, dass aus dem Carlsplatz kein »Foodcourt« wird, wie das etwa für den Marché des Enfants Rouges in Paris oder die Markthalle in Lissabon (Time Out Market Lisboa) gilt.
Öffnungszeiten Mo–Fr 8–18 Uhr, Sa 8–16 Uhr, einzelne Stände teils abweichend
www.terre-de-provence.de
www.conceptriesling.com
www.kartoffelhaus-carlsplatz.de
www.frankpetzchen.de
www.dauser-online.de
https://kaffeereich.de
Weil ich möglichst nichts im Supermarkt oder Discounter sondern so viel wie möglich auf dem Wochenmarkt einkaufe, schwärme ich hier auch von den Markthallen in Bordeaux, Cannes, Menton und Stuttgart und den Märkten unter freiem Himmel in Plestin-les-Grèves, Nizza und Paris.