TYPOTRAVELETTE UNTERWEGS: SERIFENSCHRIFTEN IN PARIS

Schrift mit Füßchen: Beschriftungen im öffentlichen Raum prägen das tägliche Umfeld – und jede Stadt hat ihre ganz eigene urbane Typografie. Bei den in Frankreich bevorzugten Versalien kommen nicht nur serifenlose Groteskschriften zum Einsatz, sondern auch Antiqua- oder Serifenschriften, gern mit glamourösen Füßen und dekorativen Verzierungen. Serifenschriften sind nach den Endstrichen am oberen und unteren Ende der Buchstaben benannt.

Belles lettres: Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten, eine Serife zu gestalten. Sie können weich mit bogenförmiger Rundung in den Strich übergehen oder auffallend hart und im rechten Winkel angesetzt sein. Die Schriftwirkung von Serifen hängt zudem von deren Art ab – sie können die Form eines Schnabels, Keils, Rechtecks oder Balken haben, wie Tropfen oder Fähnchen aussehen. Auch der Winkel und Stärke sind Merkmale, die das Gesamtbild beeinflussen: Serifen können waagerechte und senkrechte glatte Striche sein, kantig oder gerundet, die Unterkante kann leicht gewölbt sein, je nach Buchstabe kann es symmetrische und asymmetrische Serifen geben, die Stärke reicht von der feinen »Haarserife« bis zum blockartigen, brachialen »Betonfuß«. Der Typograf unterscheidet nach ihrer Position Abschlussserifen, Dachserifen, Kopf-, Quer- und Standserifen und in der Mikrotypografie mehr als drei Dutzend weitere Merkmale.

Wilde Fonts: In meinen Blogbeiträgen zur Vorliebe in Paris für Schriftzüge in Gold und Versalien sowie über »50 Arten, Café zu schreiben« sind einige Beispiele für eckig angesetzte Serifen zu sehen, die streng und klar wirken, wie auch für »lateinische« Schriften mit spitzen Serifen, die in Frankreich besonders beliebt sind, ob für Visitenkarten oder die Beschilderung von Ladenfronten. In Paris wuchern die Serifen aber gern recht eigensinnig mitten aus einer Rundung. Bei den sogenannten toskanischen Egyptiennes teilt und vervielfältigt das Füßchen sich, dass einem ganz rustikal zumute wird. Diese Zierschriften sind wiederum eine Untergruppe in der stark serifenbetonten Schriftklasse der Egyptienne, im englischen Fachbegriff als Slab Serif geläufig, in Frankreich als Mécane. Da passt es für Paris als »Hauptstadt des 19. Jahrhunderts« ja, dass sie damals ihre Blütezeit hatten. Meine Beispiele zeigen Schriftzüge mit kleinen Macken und ausdrucksstarken Details, und überraschend oft den Mut zum Overkill: serifenbetonte Zierschrift plus zusätzliche Verzierungen plus Mehrfarbigkeit plus Schattenschrift. Bei Mosaikschriften wirkt der Aufwand am eigenartigsten, aber auch bei Holzbuchstaben und Leuchtschrift erstaunt die Mühe, mit der sich die Glasbläser und Laubsäger auch der Serifen annehmen. Ist es nicht toll, dass Serifen sogar noch ins Innere des O tropfen, das B wuchert wie ein Rebstock und fast Wurzeln schlägt?

Paris Typo Serifen

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Paris Frankreich Mosaik

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