AUSSTELLUNG IN PARIS: GUSTAVE CAILLEBOTTE

Im Musée d’Orsay: Zu den bekanntesten Gemälden von Gustave Caillebotte (1848–1894) zählt sein Bild »Die Parkettschleifer« (1875), das mit mehreren Versionen in der Ausstellung vertreten ist. Bei der Arbeit sind auch »Die Fassadenmaler« (1877), die vermutlich gerade ein Lokal oder eine Weinhandlung mit Beschriftung versehen. Während die Künstler des Realismus die Arbeiter vorwiegend in ländlicher Umgebung darstellten – ein berühmtes Beispiel sind »Die Ährensammlerinnen« (1857) von Jean-François Millet, ebenfalls im Besitz des Musée d’Orsay –, sah Caillebotte in den städtischen Arbeitern (die im Familienwohnsitz in der Rue Miromesnil den zuvor verlegten Dielenboden abhobelten) ein bildwürdiges Motiv und zeigte sie als Teil des Alltags in der französischen Hauptstadt.

Männer auf Balkonen: Gleich mehrere Gemälde zeigen den Blick vom Balkon oder aus dem Fenster auf Straßenfluchten. Was uns heute als das klassische Paris erscheint, war als städtische Szenerie damals funkelnagelneu, viele Gebäude gerade erst im Rahmen der unter dem Präfekten Georges-Eugène Haussmann (1809–1891) vorgenommenen Modernisierung von Paris erbaut. Wie kaum ein anderer seiner Impressionisten-Kollegen war Gustave Caillebotte der Maler des modernen Paris, der die radikale städtebauliche Umgestaltung, die die Stadt unter Napoleon III. erfuhr, zu seinem Motiv machte. Zwischen 1853 und 1870 erhielt die noch mittelalterlich geprägte, planlos gewachsene Stadt statt schmaler Gassen breite Boulevards als schnurgerade Achsen. Ein kleineres Bild mit dem Titel »Un refuge, Boulevard Haussmann« (1880) zeigt eine Verkehrsinsel mit Passanten, das Hochformat »Boulevard vu d’en haut« (1880) zeigt den Blick hinunter auf eines der asphaltierten Trottoirs, die unter Haussmann mit Bäumen und dem typischen Stadtmobiliar an Gaslaternen, Bänken, Kiosken und Pissoirs ausgestattet wurden. Auch die technische Seite nahm Caillebotte in den Blick, malte die Stahlkonstruktionen von Eisenbahnbrücken (»Le pont de l’Europe«, 1876/77).

Sportler: Mit »Männer malen« wird der Ausstellung im Musée d’Orsay ein inhaltlicher Schwerpunkt gegeben, dazu gehören neben großformatigen Porträts von Männern im Gehrock und wenigen Aktdarstellungen auch einige junge Männer bei sportlichen Aktivitäten auf grün schillerndem Wasser, beim Rudern, Paddeln und Schwimmen vor allem, teils in spektakulärer Nahsicht (wie das Motiv des  Ausstellungsplakats beispielsweise). Ende des 19. Jahrhunderts halten die Maler fest, wie sich Sportarten demokratisieren und zum Freizeitvergnügen der breiten Bevölkerung werden. Zuvor galt körperliche Betätigung als britische Absonderlichkeit und blieben Tennis, Boxen, Rudern, Reiten oder Fechten eher einer wohlhabenden, teils adligen Elite vorbehalten, nun wurde Sport als Motiv der Malerei ein Zeichen für Modernität. Caillebottes eigenes Hobby findet sich ebenfalls als Motiv wieder: Als leidenschaftlicher Segler war er Mitglied im Pariser Segelclub, nahm an Regatten in der Normandie teil und konstruierte bald selbst als Bootsbauer Segelboote.

Mäzen und Freund der Impressionisten: Caillebotte stammte aus einer wohlhabenden Familie des gehobenen Bürgertums, sodass er mit seiner Malerei nicht seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Im Gegenteil, bereits mit 25 Jahren beerbte er seinen Vater, und die finanzielle Unabhängigkeit ließ ihn zu einem wichtigen Unterstützer der Impressionisten werden. Bei seinem frühen Tod 1894 ging seine Gemäldesammlung, wie testamentarisch von Caillebotte verfügt, mit den Werken seiner Künstlerfreunde an den französischen Staat. Die rund 70 daraus ausgewählten Gemälde bildeten den Grundstock der berühmten Pariser Impressionisten-Sammlung – in der 5. Etage ist ein Raum dieser Sammlung gewidmet. Aus der Retrospektive wirkt die Großstadtmalerei Caillebottes moderner als die Arbeiten seiner weltberühmten Malerfreunde, nicht zuletzt wegen der Vorwegnahme fotografischer Techniken, mit harten Anschnitten, kühnen Perspektiven, dem Blick in die Tiefe und konstruierten Bildräumen.

Marmottan: Eines meiner Lieblingsbilder von Caillebotte, »Rue de Paris, temps de pluie« (1877), das Paris im Regen zeigt und den Maler als Meister der perspektivischen Bildkomposition ausweist, hängt im Art Institute in Chicago, eine (kleinere) Ölskizze zu diesem ikonischen Gemälde im Musée Marmottan. Jederzeit lohnt das Museum im Pariser Bois de Boulogne einen Abstecher – zu den dort ausgestellten Gemälden von Claude Monet gehören nicht nur Seerosenbilder aus seinem Garten in Giverny, sondern auch das berühmte »Impression, soleil levant«, das den Impressionisten den Namen gab. Das Museum hatte schon von April bis August diesen Jahres anlässlich der Olympischen Spiele mit »En jeu!« den Künstlern und ihrer Faszination durch den Sport eine Ausstellung gewidmet, die ich leider verpasst habe. Die letzte Caillebotte-Ausstellung, die ich vor der aktuellen sehen konnte, richtete 2011 das Pariser Musée Jacquemart-André aus (Plakat siehe am Ende).

 

Gustave Caillebotte: Männer malen

Musée d’Orsay, Esplanade Valéry Giscard d’Estaing(7e), Métro: Solférino

8. Oktober 2024 bis 19. Januar 2025

www.musee-orsay.fr, Di–So 9.30–18, Do bis 21.45 Uhr

Caillebotte Ausstellung Paris 2011 Plakat