TYPISCH PARIS: ECKHÄUSER

Urbane Tortenstücke: Das Bauen auf engstem Raum ist im dicht besiedelten Paris schon seit Jahrhunderten eine alltägliche Herausforderung. Dennoch fallen die schmalbrüstigen Wohnhäuser dort, wo zwei Straßen spitz auf einander zulaufen, besonders auf. Kaum eine Zimmerbreite misst das Grundstück noch an der Einmündung, mit drei Außenwänden leben die Mieter oder Eigentümerinnen mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen (viel Tageslicht durch Fenster an drei Straßenfassaden, aber auch entsprechende Heizkosten). Eckhäuser spielen im urbanen Kontext eine wesentliche Rolle. Sie prägen in besonderer Weise das Erscheinungsbild und den Charakter einer Stadt am Übergang von Straße zu Straße oder Straße zu Platz. (Übrigens: Das Wohngebäude im Vordergrund des ersten Fotos besitzt nicht nur »französische Balkone«, sondern sogar Lambrequins – eigentlich eine Lyoner Spezialität.)

Echte Hingucker: Die Zink- und Schieferdächer der Pariser Gebäude mit ihren Grau- und Anthrazittönen gehören zum charakteristischen Architekturerbe der Stadt. Darunter gibt es viele recht schlichte und einige sehr pompöse Varianten – wie das »toit-dôme«, die aufwendige Kuppel auf Eckgebäuden. Anders als vielleicht anzunehmen, respektiert diese Bauweise die strengen Haussmannschen Vorgaben nicht mehr. Die Kuppeln tauchen Ende des 19. Jahrhunderts auf den Bauten der Belle Époque und des Jugendstils auf. Diese Ecklösungen des 19. Jahrhunderts geben keiner Schauseite den Vorzug, sondern leiten gleichberechtigt zwei Straßenfronten ineinander.

Spitzenleistung: In ihrem Fachbuch für Architekten, »Stadthäuser. Der Eckgrundriss«, unterscheiden die Herausgeber Georg Ebbing und Christoph Mäckler zwischen stumpf-, spitz- und rechtwinkligen Ecken. Doch muss man (die Geometrie außer Acht lassend) ergänzen, dass es tatsächlich auch »runde Ecken« gibt, besonders bei den von Kuppeln gekrönten Eckbauten des Historismus und bei den von waagerechten Fensterbändern geprägten Gebäuden des Art Déco als stromlinienförmiger »Bug«. Generell prägen Fassaden durch Höhe, Material und Proportionen den städtischen Raum, doch Eckhäusern komme besondere Bedeutung zu, etwa für die »Platzgeschlossenheit«, heißt es im Vorwort. Nachdem das fast ein Jahrhundert lang wegen der schwierigen Grundrissgestaltung vernachlässigt worden sei, gebe es erfreulicherweise auch wieder zeitgenössische Beispiele dafür, den Straßenraum als architektonische Aufgabe zu begreifen, deren Ecklösungen sie in die überarbeitete Ausgabe des Buchs aufnehmen konnten. Für die Planung von Stadtquartieren mit sozialer Vielfalt und funktionaler Mischung sei eine Kenntnis städtischer Bautypen – wie Flügelhaus, Gewerbehofhaus und Eckhaus – unentbehrlich.

 

Georg Ebbing und Christoph Mäckler (Hg.): Stadthäuser. Der Eckgrundriss, Jovis Verlag, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2023  https://www.jovis.de/de/book/9783868597783

Paris Eckhaus

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