DIE HÄRTESTE REGATTA DER WELT: VENDÉE GLOBE
Weltumsegelung: Seit ein paar Tagen verfolge ich gebannt auf dem Tracker, wie die Solosegler mit ihren 60 Fuß langen Jachten der Bootsklasse IMOCA Seemeile um Seemeile zurücklegen. Noch liegt das Feld der Teilnehmer dicht beisammen. Rund 45.000 Kilometer gilt es für die Einhandsegler zurückzulegen, von Les Sables-d’Olonne geht es Richtung Süden, und noch drohen weder Eisberge noch wellentürmende Stürme. Eine Weile dürfen die Segler statt eisiger Kälte noch die Leichtwind-Passagen und die Wärme genießen, bevor es die Antarktis zu umrunden gilt, das Südpolarmeer droht und das gefürchtete Kap Hoorn passiert werden muss. Zu den Strapazen des Rennens zählen Schlafmangel und Einsamkeit, die ewigen Erschütterungen und die lärmende Lautstärke der Bootsgeräusche. Der Rekord der Non-Stop-Weltumrundung liegt bei 74 Tagen, 3 Stunden, 35 Minuten und 46 Sekunden, den Rekord hält Armel Le Cléach’h seit 2016/17. Je nach Wind und Wetter benötigen die schnellsten Skipper länger, zuletzt über 80 Tage – die Ankunft wird auf jeden Fall erst im neuen Jahr sein.
Zweieinhalb Monate auf See: Auf Höhe der Kapverden, ein paar Tage nach dem Start am 10. November, führt im Ranking gerade Jean Le Cam, mit 65 Jahren ältester Starter und zum sechsten Mal dabei, der selbst schon Schiffbruch erlitt und in einer dramatischen Rettungsaktion wiederum Kevin Escoffier an Bord nahm. Von den 40 Startern sind 29 Mitsegler Franzosen, nach wie vor bleiben sie weitgehend unter sich. Mit dabei bei der zehnten Ausgabe der Vendée Globe, die alle vier Jahre stattfindet, ist Titelverteidiger Yannick Bestaven, der Sieger des Rennens 2020/2021, und auch der derzeit beste deutsche Hochsee-Segler nimmt nach seiner Premiere vor vier Jahren wieder teil und steuert die in Vannes gebaute Malizia-Seaexplorer. Boris Hermann, der als erster Deutscher teilnahm, war quasi in letzter Minute nur Fünfter bei dieser härtesten Nonstop-Einhand-Regatta geworden, nachdem er lange mit Siegchancen vorne lag, weil ihn kurz vor dem Ziel ein Fischtrawler rammte. Diesmal zählt er mit Charlie Dalin zu den Favoriten, und nach dem Pech wünsche ich ihm diesmal gutes Gelingen und werde wieder mitfiebern!
Nonstop über den Atlantik und rund um die Antarktis: Mehr als der America’s Cup oder das Fastnet Race, bei denen Teamwork zählt, fasziniert in Frankreich die Segelregatta Vendée Globe, denn für den Alleingang braucht es noch echte, wagemutige Abenteurer. Und heldenhafte Abenteurerinnen: 2024 nehmen sechs Frauen teil, darunter die Britin Samantha Davies, die 2008/09 den vierten Platz erreichte. Besonders Vendée-Globe-Mitseglerin Isabelle Joschke, die das Rennen vor vier Jahren mit einem Bootsschaden vorzeitig aufgeben musste und außer Konkurrenz beendete, drücke ich ebenfalls die Daumen. Jüngste Seglerin ist die 23-jährige Violette Dorange, zum ersten Mal dabei auch die Schweizerin Justine Mettraux. Wiederholungs-Skipperinnen sind die Britin Pip Hare und die Französin Clarisse Crémer, die vermutlich ihren aufgestellten Frauen-Rekord von 87 Tage, 2 Stunden 24 Minuten und 25 Sekunden unterbieten will. Nur etwa 200 Seglerinnen und Segler sind bislang überhaupt zur Weltumsegelung gestartet, etwas mehr als die Hälfte davon schaffte es auch, das Rennen erfolgreich zu beenden. Unterwegs sind sie bei der härtesten Regatta der Welt ganz auf sich allein gestellt.
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