PARIS IN FARBE – UND DAS LEGENDÄRE GRAU
Dächer von Paris: So heißt eine Wandfarbe eines deutschen Herstellers in einem »romantischen« Grauton, der allerdings ins Braune geht. Der legendäre Farbton der Pariser Dächer wirkt dagegen eher graublau, vor allem im frühen Morgenlicht. Den Blick auf die beeindruckende Dachlandschaft genießt man von den etwas erhöhten Aussichtspunkten wie dem Centre Pompidou oder der Terrasse vor Sacré Coeur. Dies charakteristische architektonische Kulturerbe hat nicht nur Chansons, Filmemacher, Maler, Fotografen und Schriftsteller inspiriert, sondern auch die Spezies der »toiturophiles« hervorgebracht, der Dachfans. Und diese sind mir auch schon begegnet – als ich eine Ferienwohnung mit winziger Dachterrasse im 2. Arrondissement gemietet hatte, kletterten mehrfach ungebetene Gäste über die Dachfirste der Nachbarhäuser herüber und machten es sich beim mitgebrachten Bierchen gemütlich… Viele der mit Zinkblech (seltener mit Kupfer oder Schiefer) gedeckten Dächer haben Gauben und »oeils de boeuf«, runde Dachfenster, und über den Kaminen reihen sich zahllose kleine tönerne Schlote. Ein Dachdecker ist hier auch ein Verzinker, ein »couvreur-zingueur«. Hoch oben unter dem Dach waren früher die »chambres de bonne« untergebracht, die Dienstmädchenzimmer. Eine Bezirksbürgermeisterin (des 9. Arrondissements) lancierte 2014 den Vorstoß, die Dächer ins Unesco-Weltkulturerbe aufzunehmen, dem aber wohl wenig Erfolg beschieden sein wird, da Paris ohnehin schon zum Welterbe zählt.
La vie en rose: Für besondere Farbigkeit ist Paris dagegen nicht bekannt, weder eignet ihr die pastellige Schönheit Südfrankreichs noch die kräftigen Terrakottatöne italienischer Städte – die Altbauten bestehen aus cremefarbenen Kalkstein. In der Innenstadt begegnen uns Blau und Rot am häufigsten, vor allem an den lackierten Holzfassaden von Geschäften oder Haustüren, Grün dagegen ist fast schwieriger zu finden als Rosa. In der buntesten Straße von Paris, der Rue Crémieux im 12. Arrondissement, sind die Anwohner mehr als genervt von all den Instagrammern aus aller Welt, die vor den rosa, blassblau, giftgrün und zitronengelb gestrichenen Fassaden für Selfies posen. Schlanke Mädels lassen sich von der Freundin in Yogaposen ablichten und Nachwuchs-Rapper drehen dort Musik- und Tanzvideos – bevor Corona dem Touristenansturm vorerst ein Ende setzte, fotografierten sich an Wochenenden bis zu 200 Menschen auf den Stufen vor den Haustüren der Anwohner. Mehr zu Farben steht in den Beiträgen Paris glänzt in Gold und Blau an der Côte d’Azur. Ein tolles Buch über Farben geschrieben hat Kassia St Clair.