STECHGINSTER IN DER BRETAGNE

Das blüht im Januar: Wer auf dem Zöllnerweg an der bretonischen Küste entlangwandert, kann teils von Dünenpfaden, teils von Steilklippen hoch über dem Wasser den Blick auf das Meer genießen. Auf der Crozon-Halbinsel wandert man durch karge Heide oder zerzauste Strandgräser, anderswo durch endlose Farnteppiche oder vorbei an rosa blühenden Grasnelkenpolstern. Doch immer wieder gibt es auch Passagen, in denen kratzbürstiges, mehr als mannshohes Gestrüpp die Sicht versperrt. Und ein tunnelartiger Weg im undurchdringlichen Dickicht nur existiert, wenn er regelmäßig freigeschnitten wird. Was in dieser dornenreichen Vegetation schon jetzt zu Jahresbeginn und dann lang anhaltend gelb blüht, während der Farn noch braun darniederliegt, ist Stechginster, im Französischen »ajonc«, der botanische Name lautet »Ulex europaeus«. Beim Anfassen erkennt man schnell und schmerzhaft, dass der Stechginster seinen Namen dank großer, kräftiger Dornen sehr zu Recht trägt. Mit Ginster ist er trotz der scheinbar ähnlichen gelben Blüten allerdings nicht verwandt, die Pflanze gehört zur Familie der Hülsenfrüchte (Fabaceae). Im Jahr 2016 erklärte das Institut Culturel de Bretagne in Vannes den Stechginster zur Symbolpflanze der Bretagne (wie der Klee Irlands oder die Distel als Emblempflanze Schottlands). In anderen Ländern hat sich der ausbreitungsfreudige Strauch dagegen den zweifelhaften Ruf erobert, zu den weltweit schlimmsten invasiven Arten (Neophyten) zu zählen, so steht er auch auf der Liste der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) der 100 am wenigsten erwünschten Arten.

Stachliger Selbstschutz: Solche Sprossdornen, die beim Stechginster immerhin 10–20 Millimeter lang werden, bilden Pflanzen gern aus, um sich vor Tierverbiss zu schützen. Selbst die stachligen, nadelähnlichen Laubblätter des Stechginsters dienen als Fraßschutz vor Kühen oder Pferden. Solcher Verbiss durch Nutztiere wie Schafe oder Schweine hat übrigens über Jahrhunderte ganze Kulturlandschaften geschaffen, die Heiden etwa, Hütewälder oder die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb, die heute als artenreiche Lebensräume zu den wertvollsten Ökosystemen Europas zählen (mehr dazu unter anderem in Susanne Wiborgs Buch »Der glückliche Horizont« und mehr zu Spornblumen, Weißdorn, Mimosen, Kamelien, Schmucklilien und Hortensien in der Bretagne hier im Blog). Doch zurück zum Stechginster: Der Strauch kann eine Wuchshöhe von mehr als 2 Metern erreichen und steht gern an sonnigen Plätzen, doch in Dürresommern gilt er als »Feuerstrauch«, denn wie auch viele mediterrane Gewächse enthalten seine dunkelgrünen Zweige 2–4 Prozent leicht entzündliche Öle und sind daher bei heißen Temperaturen »brandgefährlich«. Ausgesprochen wohl fühlt er sich in den atlantischen Küstenregionen Frankreichs, und wäre das Pflücken der kleinen Schmetterlingsblüten wegen der Dornen nicht so mühsam, könnte der Stechginster wie früher als Färberpflanze verwendet werden. Kleine Vögel lassen sich dagegen von den Dornen nicht abschrecken und nutzen die dichten Hecken oder Sträucher als Unterschlupf und Nistmöglichkeit.

Bretagne Stechginster

Bretagne Stechginster