KAMELIEN IN DER BRETAGNE

Das blüht im Februar: Die Kamelie in unserem Garten steht gerade in voller Blüte, schon im Januar zeigte sie erste Knospen. In den Wintermonaten sinken die Temperaturen in der Bretagne selten unter den Nullpunkt, sodass auch frostempfindliche Pflanzen wie Kamelien üppig gedeihen. Die Bedingungen sind sogar im Finistère ideal, dem nordwestlichen Zipfel der bretonischen Halbinsel. Die Blüten können einfarbig oder mehrfarbig sein mit Streifen, Flecken oder Rändern und Äderungen, auch ihre Größe variiert. Je nach Sorte gibt es einfache oder gefüllte, anemonenförmige, päonienförmige und rosenförmige Blüten. Einige Kamelienblüten duften schwach, andere recht intensiv.

Elegante Pracht: Ganz so weit wie unser Exemplar waren die Kamelienpflanzen im Park des Château de la Roche-Jagu noch nicht. Die zahlreichen Arten unterscheiden sich vor allem durch ihre Farbskala mit weißen, rosafarbenen oder leuchtend rote Blüten, aber auch durch Wuchs und Blattformen sowie den Zeitpunkt der Blüte zwischen Februar und April. Die berühmte Allee ist wohl rund 200 Meter lang und zeigt namentlich beschilderte Kamelien der unterschiedlichsten Arten und Farben. Im Frühjahr lohnt der Besuch des Parks von Schloss de la Roche-Jagu allein schon wegen dieser Pracht. Wasser ist dort allgegenwärtig, es sammelt sich in Teichen, bildet kleine Wasserfälle, sprudelt aus Wänden und rauscht als Bächlein zum Fluss Trieux hinunter. Auf der Anhöhe hoch darüber wurde das Schloss errichtet, und nach den schweren Waldschäden durch einen Orkan im Jahr 1987 der 40 Hektar große Park von Landschaftsarchitekt Bertrand Paulet angegelegt, der auch zu jeder anderen Jahreszeit den Besuch lohnt.

Chinarose: Die aus Ostasien stammenden Pflanzen aus der Familie der Teestrauchgewächse sind kälteempfindlich – die berühmte Kamelie von Schloss Pillnitz, die mehr als 220 Jahre alt ist, wird im Winter daher von einem fahrbaren Glashaus geschützt. Ende des 18. Jahrhunderts kamen die ersten Kamelien nach Europa, von einer Japanreise soll sie ein schwedischer Botaniker wohl in die königlich-botanischen Gärten von Kew bei London mitgebracht haben. Von dort verbreiteten sie sich zuerst in Schlossgärten, Pflanzen sollen nach Hannover-Herrenhausen, Pillnitz und Schönbrunn weitergegeben worden sein (was sich jedoch nicht belegen lässt). Die immergrüne Camellia japonica mit ihren attraktiven Blüten wurde neben Fuchsien und Orchideen zur absoluten Modepflanze im 19. Jahrhundert und beispielsweise auch im Botanischen Garten der badischen Großherzöge gezogen, in Oldenburg wiederum brachte sich der Herzog eigens Pflanzen aus England mit und ließ ein Gewächshaus dafür errichten. Der zunächst »Chinarose« genannte Strauch erhielt seinen Namen erst von Carl von Linné (1707–1778), im Rahmen seiner Pflanzensystematik. Willkürlich gewählt, um Georg Joseph Kamel (1661–1706) zu ehren, einen Apotheker und Jesuitenmissionar, denn der Namensgeber zwar als Naturforscher auf den Philippinen tätig, hat aber vermutlich zeit seines Lebens keine Kamelie gesehen.

Die Kameliendame: Der 1848 erschienene Roman von Alexandre Dumas dem Jüngeren entwickelte sich zu einem so großen Erfolg, dass noch der Autor selbst den Stoff um die lungenkranke Halbweltdame Marguerite Gautier und die unmögliche Liebe zwischen ihr und dem jungen Armand aus gutem Haus zum Theaterstück umarbeitete. Später wurde Sarah Bernhardt in der Bühnengestalt der Kameliendame gefeiert, Verdi vertonte das Drama als Oper »La Traviata« und rund 20 Filme adaptierten den Roman, mit so berühmten Schauspielerinnen wie Greta Garbo (1936) oder Isabelle Huppert (1981) in der Titelrolle. Und was hat es nun mit den Kamelien in dem französischen Literaturklassiker auf sich? Marguerite, die »in ganz Paris berühmte Schönheit«, besucht jeden Abend Bälle oder das Theater und erscheint dort immer mit einem Sträußchen Kamelien: »Fünfundzwanzig Tage hatte sie weiße Kamelien, an den übrigen fünf Tagen waren sie rot. Die Ursache dieses Farbenwechsels ist nie bekannt geworden; ich führe ihn nur an, ohne ihn erklären zu können […].« (Erstaunlich, wie offenherzig der Autor hier das Tabuthema Menstruation anspricht – bis heute sollen die ominösen »Tage« möglichst unsichtbar bleiben und Frauen ihre Monatsblutung unauffällig verstecken. Ausgedacht hat sich Dumas das nicht, das reale Vorbild Marie Duplessis soll stets weiße, wenn sie ihre Periode hatte, rote Blüten im Haar oder am Kleid getragen haben). Nach ihrem Tod lässt Armand das Grab der auf dem Père Lachaise beigesetzten Marguerite mit stets frischen weißen Kamelien bedecken.