SERENA DANDINI: UNS BLEIBT IMMER PARIS

Es gibt Städte, über die scheint schon alles erzählt. Paris ist so eine Stadt, so oft beschrieben, gefilmt, fotografiert, dass man denkt: Bitte nicht noch ein Buch. Und dennoch: »Es gibt tausend Arten, Paris zu entdecken« (S. 27), und der Autorin Serena Dandini folgt man gern auf ihren alphabetisch geordneten Spaziergängen durch die Seine-Metropole. Ihr Buch muss man aber keineswegs von A wie Arrondissement bis Z wie Zinc lesen, je nach Lust und Laune gesellt man sich auch mittendrin zur Autorin. Mein Einstieg waren B wie Bistro, H wie Halles und P wie Passage.

Uns bleibt immer Paris: Serena Dandini hat eine Liebeserklärung an Paris geschrieben, in der sie ihre großen und kleinen Entdeckungen, Geschichten und vor allem Lektüren mit uns teilt. »We’ll always have Paris«, diese zum geflügelten Wort gewordene Dialogzeile von Humphrey Bogart im Filmklassiker »Casablanca« als Titel zu wählen, zeigt schon, wohin die Reise geht – für mich ist das Buch kein Reiseführer durch Paris, sondern ein Führer durch die Paris-Literatur, ein Bibliotheksbuch in dem Sinne, dass es eher in einer Bibliothek geschrieben werden konnte als vor Ort, aller Rede vom Flanieren zum Trotz. Und mich animiert der Band auch nicht, die Stadt zu durchstreifen, sondern mich vor mein Bücherregal zu stellen und all die Bände wieder in die Hand zu nehmen, die hier zitiert oder vergegenwärtigt werden oder das ein oder andere jenseits der »üblichen Verdächtigen« noch anzuschaffen und endlich mal zu lesen.

Die üblichen Verdächtigen: Noch so ein Casablanca-Bonmot… Zu den üblichen Verdächtigen aus Literatur, Film und Malerei zähle ich etwa Hemingway, »Paris. Ein Fest fürs Leben«, Maupassant über den Eiffelturm, Sylvia Beach mit »Shakespeare & Company«, Woody Allen mit »Midnight in Paris«, die Eiffeltürme von Robert Delaunay und den Gare Saint-Lazare von Claude Monet, Oscar Wilde im Hotel und so weiter. Aber Serena Dandini setzt die Lektüren miteinander in Beziehung, verknüpft Orte mit Büchern, Filmen, Gemälden und Biografien – und so führt ein Satz so beiläufig wie elegant zum nächsten. »Ähnlich wie bei ineinander geschachtelten Matroschkapuppen, wo immer wieder eine neue zum Vorschein kommt« (S. 27), sodass man die belesene Autorin gern auf ihren Abschweifungen begleitet. Und vor allem bei den vorgestellten Frauen sind Entdeckungen zu machen.

#frauenzählen: Erfreulich ist vor allem, dass es weder um Chronologie noch Vollständigkeit geht und in dem Paris-Band von Dandini nur vorkommt, was sie selbst interessiert und anregt, und das ist oftmals die weibliche Perspektive. Sei es nun die von Sonia Delaunay oder Colette, der Flaneuse und Tiermalerin Rosa Bonheur oder der Street-Art-Künstlerin Miss Tic, Elsa Schiaparelli oder Coco Chanel, Kiki vom Montparnasse oder Amélie Nothomb. Das Buch ist »allen Abenteurerinnen gewidmet, die als Erste gegen das traditionelle Rollenmodell der häuslichen Frau aufbegehrten« (S. 10).

Das übrigens mit tollen Collagen von Andrea Pistacchi zu den Buchstaben des Alphabets ausgestattete Buch wurde von der Übersetzerin Julika Ulrike Betz aus dem Italienischen in ein angenehm lesbares Deutsch übertragen.

Serena Dandini, Uns bleibt immer Paris, btb Taschenbuch, 14 €, erschienen Mai 2019