PARISER PARKS: JARDIN DU PALAIS-ROYAL

Pausenraum fürs Dolcefarniente: Nur wenige Schritte vom Louvre entfernt, ist der Jardin du Palais Royal ein versteckter Rückzugsort mit Springbrunnen, grünen Alleen und Sitzgelegenheiten für eine Rast und zum Ruhe-tanken. Die gestreiften Säulenstümpfe im Zebralook von Daniel Buren, die 1986 im Ehrenhof des Palais Royal aufgestellt wurden, finden bei Kindern, müden Touristen und der Generation Selfie Anklang, in den polierten Stahlkugeln des Brunnens von Pol Bury spiegeln sich die Kolonnaden. Auf den grünen Metallstühlen und Holzbänken zwischen Blumenbeeten, von Hecken gerahmten Rasenflächen und schattigen Alleen lesen Pariser:innen Zeitung oder lassen ihre Kinder toben. Ein weitläufiger Park ist der rund 2 Hektar große Garten nicht, sondern ein großzügiger begrünter Innenhof. Die im Formschnitt gestutzten Lindenreihen sorgen im Winter für grafische Effekte vor den klassischen Fassaden und den schmiedeeisernen Gittern mit ihren vergoldeten Spitzen, bevor die Magnolien erste farbige Highlights setzen.

In den eleganten Arkaden flanieren nur noch vereinzelte Besucher, kein Vergleich zu den Menschenmengen, die sich im 19. Jahrhundert hier tummelten. In den Läden kann man in aller Ruhe alte Zinnsoldaten erwerben oder bei Didier Ludot originale Vintageroben von Dior oder Chanel aus der Vorkriegszeit anprobieren. Der Parfumeur Serge Lutens hat einen eleganten Salon in dunklen Violett- und Mauvetönen eingerichtet, exklusive Antiquitätenhändler, Galeristen und Innenausstatter bieten Wertvolles fern aller modischen Trends. Dass auch das schwedische Modelabel Acne und das angesagte Kitsuné-Café einzogen ist allerdings möglicherweise der Anfang vom Ende der Ruhe… Sehenswert ist das Grand Véfour, in dem einst Gäste wie Napoléon Bonaparte und Victor Hugo speisten. Das über 200 Jahre alte Restaurant unter den Arkaden des Palais Royal besitzt noch sein originales, denkmalgeschütztes Interieur – spektakuläre Wanddekoration mit viel Gold und Deckengemälde im Directoire-Stil.

Palais Royal: In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte sich Kardinal Richelieu ein Stadtpalais erbauen lassen; nach seinem Tod erbte der König den Wohnsitz – daher der Name ›königlicher Palast‹. Später überließ Louis XIV. das Gebäude seinem Bruder, dem Herzog von Orléans, dessen Sohn wiederum um 1780 zur Finanzierung seines ausschweifenden Lebenswandels die Gebäude rund um den Garten errichten ließ und darin Ladenlokale vermietete. Die Arkaden des Palais Royal können als Vorläufer der Passagen gelten: Läden, Cafés, Wettbuden und Bordelle sorgten für ein reges Treiben, sie zogen Müßiggänger, Spieler und Schürzenjäger an, Modistinnen und Buchhändler, Prostituierte und Taschendiebe, »die Bauchredner, die Marktschreier aller Art« und »die sonderbarsten Gewerbe«, heißt es bei Honoré de Balzac (1799–1850) im Roman »Verlorene Illusionen«. »Mitten unter dem ausgelassenen Treiben und der tollen Lustigkeit sind dort von der Revolution von 1789 an bis zur Revolution von 1830 die wichtigsten Dinge vor sich gegangen.«Zum Innenhof hatte die Polizei keinen Zutritt, daher siedelten sich unter den Säulengängen nicht nur Geschäfte, Kaffeehäuser, Theater und Spielsäle an, sondern auch liberale Clubs, in denen freimütig antimonarchistische Ideen erörtert wurden. Hier rief der Journalist Camille Desmoulins im Juli 1789 das Volk zum Sturz der Monarchie auf, Auslöser für die Französische Revolution.

Jardin des belles lettres: 1938 kehrte Colette (1873–1954) aus Saint-Tropez nach Paris zurück und bezog eine Wohnung mit Blick auf den Garten des Palais Royal, wo sie bereits in den 1920er-Jahren gewohnt hatte. Im Alter machte der Schriftstellerin Arthrose das Leben schwer, nur noch selten verließ sie ihr Zuhause. In »Paris de ma fenêtre« (Paris durch mein Fenster), Anfang der 1940er-Jahre veröffentlicht, beschreibt sie den Blick aus ihrem Fenster, beobachtet Krähen, Meisen und die Katze der Concierge im Garten. Auch in Texten ihres Nachbarn Jean Cocteau (1889–1963) spielt der Garten eine Rolle, und in den Jahrhunderten zuvor hatte neben Balzac auch schon Denis Diderot (1713–1784) den Ort zum Schauplatz gewählt – er lässt seinen von Goethe übersetzten Dialog »Rameaus Neffe« im Palais Royal beginnen: »Es mag schön oder häßlich Wetter sein, meine Gewohnheit bleibt auf jeden Fall um fünf Uhr abends im Palais Royal spazierenzugehen.« Eine liebevolle Hommage widmete Stefan Zweig dem Garten in seinen Erinnerungen an »Die Welt von gestern«: Der Blick von seinem Hotelzimmer, stellte der Schriftsteller fest, ging auf den Garten hinaus, »der mit Einbruch der Dunkelheit geschlossen wurde. Nur das leise Brausen der Stadt hörte man dann undeutlich und rhythmisch wie einen ruhelosen Wogenschlag an eine ferne Küste, im Mondlicht leuchteten die Statuen, und in den ersten Morgenstunden trug manchmal der Wind von den nahen ›Halles‹ einen würzigen Duft von Gemüse her. […] Und wirklich, ich hätte nichts Pariserischeres und zugleich Abgeschiedeneres finden können als dieses romantische Studierzimmer im innersten Bannkreis der lebendigsten Stadt der Welt.«

Comédie Française: Am westlichen Ausgang grenzt das Palais Royal an das bedeutendste Staatstheater Frankreichs, in dem vor allem die französischen Klassiker aufgeführt werden. Im Foyer des Theaters steht noch jener Sessel, auf dem Molière 1673 während einer Aufführung von »Der eingebildete Kranke« einen tödlichen Herzanfall bekam – er starb, kurz nachdem der Vorhang fiel. 1680 hatte König Ludwig XIV. das Schauspielensemble von Molière mit einem zweiten vereinigt und die neue Truppe, aus der das erste Nationaltheater Europas wurde, Comédie Française genannt. Erst Ende des 18. Jahrhunderts zogen die Nachfolger in das heutige Gebäude. Auf dem Spielplan der traditionsreichen Institution stehen neben den Werken von Molière (noch heute meistgespielter Autor), Racine und Corneille auch Stücke der klassischen Moderne. Auf dem kleinen nach Colette benannten Vorplatz ist auch ein ausgefallener Métro-Eingang aus silbern schimmerndem Metall und Muranoglas einen Blick wert, der »Kiosque des Noctambules« von Jean-Michel Othoniel.

Paris Palais Royal

Paris Palais Royal

Paris Palais Royal

Paris Palais Royal

Paris Palais Royal Garten

 

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