PARIS: LA VIE EN ROSE

Kirschblütenträume: Und ewiger Frühling in Paris! Dem allgemeinen Trend, Reiseziele nur noch als Kulisse für Selfies zu nutzen, ist der Pariser Unfug geschuldet, Fassaden von Kaskaden künstlicher Blumen überwuchern zu lassen. Inzwischen sollen es über 325 Cafés und Bistros sein, gezählt hat das Atelier parisien d’urbanisme (APUR). Bis zu 30.000 € gäben Pariser Lokale für die Flower Power aus, das war dem ZDF eine Meldung in der heute-Sendung wert. Der Grund für die Plastikdeko ist offensichtlich – so lassen sich Instagrammerinnen anlocken, die gleich ihr Smartphone zücken. Alle fotografieren, pausenlos, meist sich selbst. Obwohl sich die Orte längst zum Verwechseln ähnlich sehen, locken die Blumenwolken erfolgreich Touristinnen an und erhöhen den Umsatz. Bislang war die üppige bunte Dekoration nicht genehmigungspflichtig, im Februar 2024 beschloss die Stadtverwaltung von Paris, den Wildwuchs in Zukunft zu regulieren.

Millennial-Pink: Schon seit Jahren geht nichts ohne das blasse Rosa, auch wenn die Farbe kein Pink ist und sich die Definition schwierig gestaltet: »It’s a colour. Although not everybody agrees what colour«, konstatierte »The Guardian« 2017 und beschrieb das Rosa als »sort of a grapefruit shade of apricotty salmon«. Dass der Farbtrend nicht nur Mode, Kosmetik und Design, sondern seit Mitte der 2010er-Jahre auch die Innenarchitektur eroberte, daran seien Wes Anderson und sein Film »Grand Budapest Hotel« beteiligt, Apple mit dem »Rose Gold«-iPhone und Pantone, die Rosenquarz zur Farbe des Jahres 2016 erklärten. Seither ist das pudrige Pastellrosa salonfähig, nicht mehr geschlechtsspezifisch als rein feminin und ebenso wenig als Barbie- und Baby-Farbe verpönt. Doch irgendwann demnächst werden die »romantischen« Blumenfassaden und der »zarte, weiche und umarmende Rosaton« als Überbleibsel der Instagram-Ära und des »Emily-Tourismus« vermutlich wieder abgelöst. 

Pretty in Pink: Seit einiger Zeit tragen unter den langhaarigen jungen Frauen auf den Caféterrassen auffallend viele eine Baskenmütze – wie Emily, die »Heldin« der gleichnamigen US-amerikanischen Netflix-Serie. Dabei wirkt die Chicagoerin alles andere als stilsicher, ein grelles Outfit – oft mit roter Baskenmütze – ist schräger als das andere. Als bestgekleidete Figur gilt die elegante Agenturchefin Sylvie Grateau (verkörpert von Philippine Leroy-Beaulieu). Den amerikanischen Blick auf ein Märchen-Paris verkörpert »Emily«, die weichgezeichnete Hollywood-Version zeichnet ein wenig realistisches Bild der französischen Metropole: »Überall ist es schön, überall gibt es Croissants«, schrieb Kathleen Hildebrand in der SZ (13. August 2024), »eine Themenauswahl wie am Postkartenstand. Croissants, Eiffelturm, Baskenmützen«, kommentierte Nadia Pantel schon zum Start der ersten Staffel (SZ, 10. Oktober 2020). Um einen Spruch von Ernst Lubitsch umzuformulieren: »Es gibt das Paris von Emily in Paris und das Paris in Frankreich. Das von Emily ist das pariserischste«. Einen Kurzauftritt in der Streaming-Serie hatte Brigitte Macron, die Ehefrau von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der wiederum Emilys Umzug nach Rom am Ende der vierten Staffel nicht gut aufnahm und sich für ihre Rückkehr einsetzen will, da die Serie attraktiv für das Image des Landes sei. Tatsächlich wurde kaum ein Drehort ausgelassen, der als »zauberhafte« Kulisse taugt, neben der idyllischen Place de l’Estrapade im 5. Arrondissement, dem fiktiven Wohnort der Figur, so »wunderschöne Locations« wie das Musée d’Orsay, der Canal Saint-Martin, die Mur des Je t’aime am Montmartre, der Jardin du Palais-Royal, das Atelier des Lumières, der Pont Alexandre III, die Passage Saint-André und viele mehr. Serienfans folgen Emily auf Schritt und Tritt, zu »traumhaften Sehenswürdigkeiten« und in »formidable« Restaurants – schließlich ist die französische Hauptstadt auch für »köstlichen Wein und unfassbar deliziöses Essen« bekannt.

Durch die rosa Brille: »Je vois la vie en rose«, sang Edith Piaf in einem ihrer größten Erfolge, und nicht nur Mireille Mathieu, Patricia Kaas und Zaz coverten den Chanson-Klassiker aus dem Jahr 1945. Insgesamt soll es mehr als 120 Coverversionen geben, in zahllosen Filmen wurde der Song verwendet und selbst US-amerikanische Interpreten spielten ihn ein, von Louis Armstrong bis zu Cindy Lauper. Kein Wunder, dass der deutsche Verleih »La Vie en rose« auch als Filmtitel für das Biopic der unvergessenen Sängerin wählte (OT: La Môme), für deren Darstellung Marion Cotillard einen Oskar erhielt.