KATHY HESSEL: THE STORY OF ART WITHOUT MEN

#frauenzählen Mir ist es im Musée des Beaux-Arts in Lyon zuletzt ungut aufgefallen – in dem als »Kleiner Louvre« gerühmten Kunstmuseum sind Frauen fast nur als Objekte präsent, vorzugsweise nackt als Skulptur oder Gemäldemotiv. Als Subjekt der ausgestellten Werke, also als ihre Urheberinnen, bleiben sie absolut unterrepräsentiert. Die Kunsthistorikerin Katy Hessel wiederum hat nach dem Besuch einer Kunstmesse angefangen, eine so einseitige Präsentation nicht mehr hinnehmen zu wollen. Wie sie fragte ich mich, ob ich spontan 20 Künstlerinnen aufzählen kann, und kam auf Rosa Bonheur • Niki de Saint-Phalle • Sonia Delaunay • Louise Bourgeois • Georgia O’Keeffe • Rosemarie Trockel • Hanne Darboven • Angelika Kauffmann • Lee Miller • Dora Maar • Meret Oppenheim • Berthe Morisot • Françoise Schein • Etel Adnan • Hannah Höch • Gabriele Münter • Suzanne Valadon • Paula Modersohn • Camille Claudel – und mit intensivem Nachdenken fallen mir auch noch Yayoi Kusama • Cindy Sherman • Claude Cahun • Jenny Holzer • Tamara Lempicka • Barbara Kruger ein…

#thegreatwomenartists Zunächst 2015 mit einem Instagram-Account und später mit einem Podcast hat Katy Hessel begonnen, Künstlerinnen und ihre Werke vorzustellen. Im Piper Verlag ist nun vor einiger Zeit ihr großartiges Buch auf Deutsch erschienen: »The Story of Art without Men«. Epochenweise, aber nicht penibel chronologisch, sondern anhand größerer Umbrüche stellt sie Künstlerinnen vor, die Pionierarbeit leisteten und verschiedene Stile, Techniken und Strömungen prägten, dabei aber oft unbeachtet blieben und später vergessen wurden. Zuallererst widerlegt sie den Irrtum, dass es in Renaissance oder Barock gar keine bedeutenden Künstlerinnen gab, in späteren Kapiteln zeigt sie auch, was und wen wir durch die eurozentristische Blickweise alles übersehen. Zu jedem kurzen Porträt wird immer ein wichtiges Werk abgebildet und gedeutet, eine Kunstgeschichte absolut auf der Höhe der Zeit.

#femaleartists: Welche Aussage trifft man heute, wenn man eine Kunstgeschichte nur mit Werken von Frauen schreibt? Im Jahr 1943 zeigte die amerikanische Kunstsammlerin und Mäzenin Peggy Guggenheim (1898–1979) in ihrer Galerie »Art of this Century« in New York »Exhibition by 31 Women«, eine der ersten Ausstellungen überhaupt mit Werken ausschließlich von Frauen, zwei Jahre später folgte »The Women« mit 33 beteiligten Künstlerinnen, viele noch weitgehend unbekannt zu dieser Zeit. 80 Jahre später ist es leider immer noch notwendig, Frauen mal in den Mittelpunkt zu stellen, weil viele sonst nach wie vor unsichtbar bleiben, auch wenn es inzwischen einige Wiederentdeckungen, Retrospektiven und Einzelausstellungen gab (»Aus dem Schatten« will etwa gerade die Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden Künstlerinnen des 16. bis 18. Jahrhunderts holen). Zu den staunenswerten Entdeckungen (für mich persönlich) im Buch gehören die Blumenmalerin Rachel Ruysch (1664–1750) und die Scherenschnitt-Künstlerin Mary Delany (1700–1788), die Stillleben von Giovanna Garzoni (1600–1670), die textilen Arbeiten von Sheila Hicks (geb. 1934), die vielschichtigen Gemälde von Julie Mehretu (geb. 1970) und vor allem die Meisterin der Farbe Joan Mitchell (1925–1992), von denen ich bislang leider noch nie etwas gesehen oder gehört habe. Ich wünsche dem Buch viele Leserinnen und Leser, um darin ähnlich faszinierende Entdeckungen zu machen.

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