WEINSTADT AM NECKAR: STUTTGART
Stuttgart als Weinmetropole: Über rund 420 Hektar Rebfläche verfügt die »Stadt zwischen Wald und Reben«, fast so viel wie kleinere Weinregionen Deutschlands wie Sachsen oder Mittelrhein. Im Ländle selbst steht die Landeshauptstadt, was die Anbaufläche angeht, jedoch nicht an erster Stelle und ist nach Brackenheim, Lauffen, Heilbronn, Weinstadt und Weinsberg nur die sechstgrößte Weinbaugemeinde Württembergs. Vor allem am Neckar, aber auch mitten in der Stadt wachsen die Reben, entlang der Weinsteige und sogar direkt in Bahnhofsnähe, umrahmt von Villen, Wohnvierteln und Bürogebäuden. »Kriegsberg«, von der IHK und der Landesbausparkasse bewirtschaftet, und »Mönchhalde« im Zentrum Stuttgarts zählen sicher zu den teuersten Weinlagen der Welt – rechnet man um, was das Terrain umgewidmet zu Bauland wert wäre. Entsprechend sind schon viele frühere Weinbergflächen an den Hängen des Stuttgarter Kessels dem Baudruck in der wachsenden Stadt zum Opfer gefallen (Ende des 16. Jahrhunderts hatten die Weinberge mit 1250 Hektar ihre größte Ausdehnung erreicht). Größere zusammenhängende, meist flurbereinigte Rebflächen gibt es vor allem an der Stadtgrenze – in Ober- und Untertürkheim beispielsweise, ebenso in Hedelfingen, Uhlbach und Rotenberg.
Weingut Stadt Stuttgart: Rund 16 Hektar bewirtschaftet das städtische Weingut, darunter auch denkmalgeschützte terrassierte Steillagen wie etwa im Cannstatter Zuckerle, der wohl bekanntesten Stuttgarter Lage, oder die derzeit brachliegende Rebfläche an der Neuen Weinsteige, deren Trockenmauern saniert werden müssen, und leistet so einen Beitrag zum Erhalt dieser Kulturdenkmäler. Übrigens: Weinberge besitzt die Stadt schon viel länger als ein Weingut – seit 1949 wird selbst gekeltert. Es dominiert längst nicht mehr der Trollinger, der Mitte der 1970er-Jahre den Sortenspiegel dominierte: Heute ist jeweils etwa die Hälfte der Flächen mit roten und weißen Rebsorten bestockt (auf der Website des Weinguts sind die Rebsorten im Detail aufgeführt). Auch aufgrund des Klimawandels gewinnen internationale Rebsorten an Bedeutung, aktuell werden neue, teils pilzwiderstandsfähige Rebsorten gepflanzt und es läuft die Umstellung auf ökologischen Weinbau. Aus der Parzelle an der Karlshöhe soll in Absprache mit dem Landesdenkmalschutz ein Museumsweinberg werden. In einem ehemaligen Luftschutzbunker am Kurpark von Bad Cannstatt lagern die Fässer – den Weinverkauf übernimmt die Vinothek in der Innenstadt (Breite Straße 4). www.weingutstuttgart.de
Weinfest und Besenwirtschaften: Im Spätsommer verwandelt das »Stuttgarter Weindorf« die Innenstadt in eine große Probierstube – wenn die Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht, werden Ende August, Anfang September zwölf Tage lang in den Lauben ordentlich Viertele geschlotzt. Vorwiegend heimische Erzeuger und Wirte offerieren baden-württembergische Weine und schwäbische Spezialitäten, darüber hinaus gibt es Veranstaltungen vom Weindorf-Treff bis zum musikalischen Familiensonntag. www.stuttgarter-weindorf.de
Viele Winzer erzeugen nur kleine Mengen an Wein und schenken ihn in einer Besenwirtschaft direkt an Gäste aus. So ein »Besen« darf nur vier Monate im Jahr geöffnet sein und nicht mehr als 40 Plätze umfassen. Traditionsgemäß öffnen die meisten Besen in den Wintermonaten, wenn die Arbeit im Weinberg ruht. Zum selbst angebauten und gekelterten Wein, meist direkt aus dem Fass in Krüge gefüllt, dürfen deftige Kleinigkeiten und einfache hausgemachte Gerichte serviert werden. Früher räumte der Wengerter einfach seine Wohnstube aus, heute werden Viertele und Wurstsalat teils auch in eigens eingerichteten Gaststuben ausgeschenkt. Ein Reisigbesen, mit bunten Bändern geschmückt, zeigt an, dass geöffnet ist, und dann wird es in der Stube oder bei gutem Wetter auch draußen am Tisch schnell eng.
Weinwanderwege: Hinter dem Kraftwerk in Münster rücken die Weinberge des Cannstatter Zuckerle nah an das Neckarufer heran, das Flusstal wird enger und die terrassierten Hänge mit ihren Trockenmauern zählen mit dem Degerlocher Scharrenberg zu den steilsten Lagen der Stadt. Neben der GenossenschaftWeinfactumBad Cannstatt besitzt auch das Weingut der Stadt Stuttgart einige Zuckerle-Reben sowie auch eine ganze Reihe privater Winzer mit kleinen und kleinsten Parzellen, die den Steilhang wie ein Flickenteppich überziehen – die Rebstöcke allerdings in Reih und Glied. Auf einem Weinwanderweg lassen sich nicht nur Bad Cannstatt, Ober- und Untertürkheim, Hedelfingen, Rohracker oder Degerloch erkunden, sondern – besonders schön – auch der Aussichtspunkt an der Grabkapelle auf dem Württemberg.
Das Weinbaumuseum in Uhlbach: Unter den Stuttgarter Weinvororten hat sich vor allem Uhlbach den dörflichen Charakter bewahrt, obwohl es schon 1937 eingemeindet wurde. Das mächtige alte Keltergebäude von 1907 neben dem schönen Fachwerkrathaus beherbergt das Weinbaumuseum der Stadt. Schon der fast 20 Meter hohe Raum mit dem gewaltigen Dachgebälk ist eindrucksvoll. Die zeitliche Bandbreite der Ausstellung reicht von den Ursprüngen des Weinbaus vor 2000 Jahren in der Römerzeit bis zu den Stuttgarter Weinerzeugern der Gegenwart – dazu zählen neben Genossenschaften, privaten Weingütern und Nebenerwerbswinzern ja auch die Landeshauptstadt selbst und die Universität Hohenheim mit ihrem 2 Hektar großen Versuchsweinberg. Zu den Exponaten gehören eine mächtige Weinpresse aus dem 19. Jahrhundert, riesige alte Holzfässer mit Schnitzereien und historisches Werkzeug. Das Museum bietet aber auch andere Sinneseindrücke: So können Aromaproben erschnuppert werden und in Kurzfilmen wird die Arbeit im Weinberg und im Keller gezeigt. Das Programm beschränkt sich nicht auf das Museale: In der modernen Vinothek des Museums kann lokaler Wein verkostet werden, und bei Degustationen kredenzen hier regelmäßig Weinmacher aus der Region feine Weine und liefern fachkundige Erläuterungen dazu.
Weinbaumuseum Stuttgart, Uhlbacher Platz 4, 70329 Stuttgart-Uhlbach, www.stuttgart-tourist.de, Do–So 11–18 Uhr, Eintritt 3 €