STUTTGARTER WEINFEST: GRÜNE 9, JUNGWINZER UND STUNDE DER VIELFALT
Noch bis zum 8. September: Auf dem Stuttgarter Weinfest ist dieses Jahr erstmals eine Biolaube vertreten. Die sieben Weingüter am Gemeinschaftsstand »Grüne 9« kommen aus dem Remstal und dem Bottwartal, aus Fellbach und der Nähe von Heilbronn. Ein Grund für mich hinzufahren! Bislang habe ich immer einen großen Bogen um das Weinfest gemacht, zu angestaubt wirkte die »Viertelesmeile«. Das traditionsreiche Weinfest ist zwar fest verankert im »Feschdle-Kalender« Stuttgarts, doch angesichts der Umwälzungen, die die Weinwelt der Region und in ganz Deutschland in den letzten Jahren erlebt hat, wirkt das Ganze alles andere als zeitgemäß.
Halbtrockene Plörre: Bei mir kam in den vergangenen Jahren wenig Lust auf, den Ruf, hier würden billige Weine teuer ausgeschenkt, selbst zu überprüfen. Das mag ein unbegründetes Vorurteil gewesen sein, doch Ambiente und ein, zwei Stippvisiten deuteten auf nichts anderes hin. Selten schlechteren Wein getrunken als auf Weinfesten, man fühlt sich nicht nur abgezockt, sondern geradezu verarscht. Ins »Dreimädelhaus« (Laube 24) wäre ich vielleicht gern mal eingekehrt, doch das geht auch vielen anderen so – dort ist es immer voll und spontan kein Plätzchen mehr zu finden. Nach dem Motto »Oina goht no« scheint es mehr um den geselligen Absturz beim lokalen Trollinger zu gehen als um die Weine selbst. Dabei hat in vielen Weingütern eine neue, ehrgeizige und international ausgebildete Generation das Ruder übernommen. Und das Publikum, das sich für den Wein statt für den Rausch interessiert und nicht nur für Hock oder Hocketse, gibt es ja auch in Baden-Württemberg. Bislang wurde es ignoriert.
Grüne 9: Die Bio-Wengerter findet man direkt am Eingang des Weindorfs beim Alten Schloss, und dort ist nicht nur Platz, die Winzer finden auch Zeit für ein Gespräch, denn sie wollen ihre Besucher über Bioweine informieren. Die Weine von Markus Heid aus Fellbach schätze ich schon lange, also probiere ich zuerst den ausgezeichneten »Grauburgunder/Weißburgunder Steinmergel trocken«. Die sechs weiteren Weingüter am Stand sind Weingut Beurer aus Stetten, Weingut Doreas aus Remshalden-Grunbach, Weingut Forsthof aus Steinheim/Kleinbottwar, Weingut Häußermann Waiblingen-Neustadt, Weingut Schmalzried aus Korb und das BioWeingut Weinreuter aus Leingarten. Fast alle sind Ecovin-Mitglieder, viele auch bei Demeter oder Bioland. Aus allen sieben Betrieben ist täglich jemand vor Ort, um zu den Tropfen des jeweiligen Hauses fundiert Auskunft zu geben. Jedes Bio-Weingut stellt Dreierlei auf dem Weindorf vor, sowohl Weine vom Riesling bis zum Lemberger Großes Gewächs als auch einen Crémant Württemberg Brut.
https://www.stuttgarter-weindorf.de/wirte/die-gruene-9/
Neuzugänge: Ihre Laube genau gegenüber der Grünen 9 haben die »Jungwinzer«. Seit Ende August präsentiert sich der Nachwuchs auf dem Stuttgarter Weindorf als »junge Wilde«, innerhalb der zwölf Tage wechseln die Betriebe in der Laube 17 allerdings, darunter Fabian Rajtschan mit 70469R! aus Stuttgart-Feuerbach und Moritz Haidle aus Kernen-Stetten. Im Jahr 2018 konnten die Jungwinzer am Schlossplatz vor der Alten Kanzlei Premiere feiern, wo vorher Gastronomie-Lauben zu finden waren, doch wie im Weindorf-Alphabet richtig angemerkt, sind die Jungwinzer sind vor allem Jungswinzer. Hier ist Weinmachen offenbar noch Männersache. Aber immerhin: Die »Jungs« haben auch eine Pop-Up-Vinothek in der Stuttgarter Markthalle an den Start gebracht. Insgesamt weht offensichtlich schon etwas länger ein frischer Wind in Stuttgart, manche Lauben wurden modern gestaltet und neue Wirte aufgenommen – erfreulich, dass jetzt auch das Weingut der Stadt Stuttgart vertreten ist (Laube 23, auch Wein aus der Partnerstadt Brünn wird ausgeschenkt).
https://www.stuttgarter-weindorf.de/wirte/jungwinzer/
https://www.stuttgarter-weindorf.de/wirte/weingut-der-stadt-stuttgart/
LGBTTIQ: Ebenfalls schon 2018 wurde das Weindorf vom Veranstalter Pro Stuttgart e. V. um Programmpunkte wie die »Stunden der Vielfalt« in Kooperation mit dem CSD erweitert, die am 2. September auf der Rathaustreppe stattfanden. Den als Highlight angekündigten Auftritt von Wommy Wonder habe ich zwar verpasst, doch nach dem Event um 18 Uhr stieg die Stimmung in der Laube Kesselblick, ebenfalls letztes Jahr erstmalig dabei. Nicht nur ich fühlte mich hier beim Rieslingsekt brut vom Weingut Kistenmacher-Hengerer erfreulich gut aufgehoben, offensichtlich auch das nette CSD-Orgateam.
https://www.stuttgarter-weindorf.de/wirte/kesselblick/
Fazit: Es tut sich etwas beim Stuttgarter Weindorf. Wenn es weiter gute Weine gibt, komme ich auch wieder.
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