WANDERWEG RUND UM PARIS: DIE PETITE CEINTURE IM 15E
Ein luftgefederte Göttin aus Paris: Wo früher Autos gebaut wurden, erfreut heute der 14 Hektar große Parc André Citroën Anwohner und Besucher. Im Ersten Weltkrieg errichtete der später legendäre Konstrukteur André Citroën hier am Quai de Javel (15. Arr.) eine Fabrik, die zunächst Munition und nach Kriegsende Automobile in Serie produzierte. Bis in die 1970er-Jahre behielten die Citroën-Werke diesen Standort, doch mit dem Ende der von Autofahrern so vergötterten »Déesse«, des Citroëns DS, der fast zwei Jahrzehnte lang hier gefertigt wurde, schlossen die Werkstore (Kleine nostalgische Anmerkung: Nie haben sich mehr Menschen nach einem Auto umgedreht als bei einer Fahrt von Köln nach Holland mit einer rosafarbenen (!) Déesse. Leider war ich nur Beifahrerin in der Göttin, aber es war doch irgendwie ein erhebendes Gefühl, so beneidet zu sein). 1955 hatte die Limousine mit hydropneumatischer Federung ihre Premiere auf dem Pariser Automobilsalon erlebt und gleich Furore gemacht – 12000 Kaufverträge sollen allein am ersten Messetag unterschrieben worden sein. André Citroën war allerdings schon 1935 gestorben, seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Montparnasse-Friedhof.
Garten-Geometrie: Auf dem ehemaligen Werksgelände entstand Anfang der 1990er-Jahre eine ungewöhnliche Grünanlage, mehr der Geometrie als der Natur verpflichtet. Zwei große Glaskuben dienen als Gewächshäuser; die Reihe sprudelnder Fontänen auf einer abschüssigen Fläche davor sind für Kinder im Sommer eine willkommene Erfrischung. (Übrigens: Diese Brunnenanlage stammt von »fontainier« Jean Max Llorca, der weitere Wasserspiele in Bordeaux und auf der Place de la République in Paris gestaltete). Eine große rechteckige Rasenfläche im Zentrum, die von gläsern verspiegelten Bürogebäuden, Wasserbecken und karger Betonarchitektur gerahmt wird, umgaben die Landschaftsgestalter Allain Provost und Gilles Clément mit mehreren Themengärten: Der Metamorphosengarten verändert sich im Wechsel der Jahreszeiten, der Garten in Bewegung je nach Pflanzenwuchs. Einige weitere, wie der schwarze und der weiße Garten, sind Farben gewidmet, daneben gibt es aber auch wildwachsende Ökowiesen. »Charmant wie ein Flugzeugträger« war nur einer der bissigen Kommentare zur Eröffnung des Konzeptgartens, doch längst ist das große Rasenparterre eine demokratische Tummelwiese für jedermann. Leider ist vieles nicht gut gepflegt, die Wasserspiele sind selbst an den heißesten Tagen des Jahres abgestellt, die kleineren Themengewächshäuser gesperrt.
Hoch hinaus mit heißer Luft: Mit dem Ballon de Paris kann man auf rund 150 Meter Höhe schweben und ein fantastisches Panorama der Stadt erleben. Zwar ist der Heißluftballon fest an einem Drahtseil vertäut, doch oben bekommt man dann doch weiche Knie, wenn alle Schaulustigen sich auf die Seite mit Blick zum Eiffelturm drängen – schwankt er nur oder kippt er schon?
Linientreu: Nur ein paar Schritte vom südöstlichen Parkausgang entfernt, beginnt die Petite Ceinture unweit der Metrostation Balard. Die Mitte des 19. Jahrhunderts in den 1970er-Jahren stillgelegte Ringbahn hatte ausgedient, Unkraut überwucherte die Gleise, die Brache blieb ungenutzt. Nach zähen Verhandlungen mit der französischen Eisenbahn über die Grundstücke begann die Umwandlung der 32 Kilometer langen Bahnstrecke zur grünen Promenade, die irgendwann ganz um Paris führen soll. Auf das schon zugängliche Teilstück im 15. Arrondissement (weitere gibt es im 12., 13., 16. und 20. Arr.) gelangt man über eine Treppe oder mit dem Aufzug an der Rue Leblanc. Eine ganze Weile marschiert man an Gleisen entlang, dann endet der Spazierweg derzeit noch an einem versperrten Tunnel. Über eine Treppe geht es hinauf und jenseits der zu überquerenden Rue Olivier de Serres gelangt man auf einem kleinen Pfad vorbei an Wohnblöcken und Schulen gleich weiter.
Park-Hopping: An der Rue de Dantzig ist schon der nächste Park erreicht. Die dem Chansonnier Georges Brassens gewidmete Grünanlage wurde auf dem Gelände der ehemaligen Schlachthöfe von Vaugirard angelegt. Mit Duftgarten, Weinberg und Bienenstöcken, einem See und Ponyreiten für Kinder bietet der knapp 9 Hektar große Park Sommervergnügen für Ruhesuchende wie für Aktive. Übrigens: Der hier gewonnene Honig wird am ersten Samstag im Oktober verkauft. Sammler schätzen den Markt für antiquarische Bücher, der am Wochenende in den offenen Hallen des einstigen Pferdemarkts stattfindet. Andere Überreste des einstigen Schlachthofs sind ein monumentales Tor und das Gebäude mit dem Uhrturm, in dem früher die Viehauktionen stattfanden. Einziger Wermutstropfen: Zur nächsten Métrostation im Umkreis sind es noch einige Schritte. Also beim Einkehrschwung im »Kleinen Gorilla« auftanken, dann geht’s mit neuem Elan über die Rue de la Convention zur gleichnamigen Metrostation.
Start: Métro Javel-André Citroën, Ziel: Métro Convention
Parc André Citroën: Mai–Sept. 7–21.30, sonst je nach Saison nur bis 19, 19.30, 20.30 Uhr
Ballon de Paris: tgl. 9 bis jeweils 30 Min. vor Schließzeit des Parks, www.ballondeparis.com, Ticket 12 €
Parc Georges Brassens: Mo–Fr 8–20.30, Sa, So 9–20.30 Uhr
Marché du livre ancien et d’occasion: Sa und So 9–18 Uhr
Le Petit Gorille: 46 rue de Cronstadt, Di–So 8.30–2 Uhr