TYPOTRAVELETTE UNTERWEGS: GEFÜLLTE PUNZEN

Buchstaben ohne Leerraum: Punze ist der typografische Fachbegriff für den Innenraum von Buchstaben (und Zahlen). Es gibt offene Punzen bei Versalien (beim H oder V beispielsweise) und geschlossene Punzen (beim A, B, D, O, P, Q, R) sowie auch bei den Kleinbuchstaben e und g – also sozusagen im Innern der Lettern. Der Name »Punze« leitet sich vom gleichnamigen Werkzeug ab, dem Punzier-Eisen, mit dem früher bei der manuellen Fertigung von Druckbuchstaben diese nichtdruckenden Innenflächen ausgeschlagen wurden. Das Pendant dazu ist der nichtdruckende Außenraum um den Buchstaben, das sogenannte »Fleisch« (ein Beispiel ist im Beitrag über »50 Arten, Café zu schreiben« zu sehen). Je nach Schrift sind die Form, Höhe und Breite der Punzen recht unterschiedlich gestaltet. Sie prägen das Schriftbild und beeinflussen die Lesbarkeit – in der Regel dient die Punzenbreite des »n« auch als Referenz für den idealen Wortzwischenraum.

Schriftgestaltung: Um Lesbarkeit geht es bei der Beschriftung von Läden und Lokalen erst in zweiter Linie – hier wird eine Wortmarke mit Wiedererkennungswert gestaltet, daher können auffälligere oder eigenwilligere Schriften verwendet werden. Neben der Strichstärke und der Laufweite besteht ein Buchstabe aus vielen Bestandteilen, er kann mit Serifen versehen, bewusst als übertrieben »fette Schrift« entworfen werden oder mit unterschiedlich dickem oder dünnem Auf- und Abstrich auftreten. Wen wundert es, dass auch Punzen zum typografischen Eindruck beitragen? Nur achtet man in der Regel nicht bewusst darauf, ob die Innenräume von Buchstaben rund, eckig oder oval, geometrisch oder im »Freestyle« daherkommen …

Lesbarkeit: Dabei beeinflussen auch Punzen die Lesbarkeit von Schriften. Durch kleine Punzen wird das Schriftbild dunkler, große Punzen hellen das Schriftbild auf – leichter lesbar ist letzteres. Daraus lässt sich auch ohne Grafikstudium ableiten, dass der Verzicht auf Punzen eigentlich ein »No-go« ist. Warum gibt es dennoch immer mal wieder vollständig gefüllte Beispiele, obwohl die Typografie eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung von Botschaften spielt? So manches dürfte Typografen das Gruseln lehren (etwa die quadratische Schrift des Café Français in Paris), denn die Entscheidung, was (auszufüllende) Punze sein soll und was nicht, scheint ziemlich willkürlich zu sein. Mir gefallen sie – diese Ausreißer aus der klassischen Typolehre!

Punzen Saint-Cloud

Punzen Saint-Malo

Paris Frankreich Mosaik

Paris Dicke Schrift Art Deco

GK Paris geometrische Schrift gefüllte Punzen