TREPPEN, STIEGEN, STÄFFELE: DER PARISER MONTMARTRE-HÜGEL

Treppenviertel: Am Montmartre leben heißt Treppensteigen! 129 Meter und ein paar Zentimeter hoch ist der Kalkhügel an seiner höchsten Stelle. Unzählige Stufen führen auf den Hügel hinauf, auch zur Basilika Sacré-Coeur. Ballzauberer, Gitarrenspieler, Feuerschlucker stehlen sich auf der Treppe unterhalb der Kirche gegenseitig die Schau – auf den Stufen hockt immer ausreichend Publikum. Hier liegt ihnen Paris zu Füßen, und die meisten Touristen genießen hier oben vor allem den Ausblick und das Flair der französischen Hauptstadt. Am Montmartre tragen dazu nicht unerheblich die Treppen bei … Für eine architektonische Studie hat APUR (Atelier parisien d’urbanisme, www.apur.org/fr) sie gezählt, 148 Treppen sollen es insgesamt sein, allein 38 davon am Montmartre. Ihr urbanistisches Inventar unterscheidet dabei Treppen, die dem Hanggefälle folgen und zwei Straßen in unterschiedlicher Höhenlage verbinden wie meist am Montmartre (32 Treppen), und Treppen zwischen Straße und Trottoir (wie es sie am Boulevard Saint-Martin gibt). Nicht mitgezählt wurden Treppen an den Seine-Quais, zur Ile de Cygne und zur Promenade Plantée sowie diverse weitere.

Montmartre erklettern: Die wohl längste Treppenanlage, die Rue du Mont Cenis, beginnt an der Rue Caulaincourt und führt hinauf bis zum Wasserturm, von oben erblickt man im Norden schon das Stadion in Saint-Denis. Ich »erklettere« den Montmartre gern jedesmal von einer anderen Seite, mal von der Metrostation Lamarck-Caulaincourt aus, mal von Osten, von der Station Château-Rouge via Rue Maurice Utrillo – die 1867 errichtete zweiläufige Treppe führt am Square Willette hinauf zu Sacré-Coeur und ist ein repräsentatives Beispiel mit gusseisernen Handläufen und Leuchten in der Mitte. Seitlich der Rue Foyatier aus dem gleichen Jahr, einer 12 Meter breiten Treppe parallel zum Funiculaire, wurde sogar eine Allee gepflanzt. Ich mag aber auch die kürzeren und schmaleren Exemplare zwischen Häuserfronten, die Passage des Abbesses, die auch bei Street-Art-Künstlern beliebt ist, die Rue du Calvaire von der Place du Tertre hinunter zur Rue Gabrielle, die Passage Cottin und viele weitere. Für Rollstuhlfahrer und Radlerinnen sind Treppen allerdings ein Hindernis, nicht barrierefrei, keine Frage. Selbst der Aufzug zur Metrostation Abbesses endet vor einer letzten Treppe, nicht oberirdisch.

Städter in Bewegung: Bei der Stadtplanung steht eine Trendwende zur »walkable City« an. Die autogerechte Stadt hat ausgedient, und Forscher empfehlen, bei der Planung der künftigen Gestalt von Metropolen Untersuchungen des Neuro-Urbanismus einzubeziehen, also den Einfluss des gebauten Raums auf die menschliche Psyche. Denn die Stressbelastung in Metropolen ist enorm, und mangels Bewegung ist der Anteil adipöser Menschen besonders hoch. Bis 2050 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben – Großstädte aber machen krank, mit Lärm, Verkehr, drängelnden Menschen überall, wenig Grün, räumlicher Enge und sozialer Isolation: Stadtbewohner bewegen sich weniger, ernähren sich ungesünder, sind offenbar anfälliger für psychische Erkrankungen und entwickeln häufiger Depressionen oder Angststörungen als Menschen in ländlicher Umgebung. Eine »aktive«, lebenswerte Stadt setzt vollkommen andere Prioritäten, bemüht sich darum, auch Anreiz und Stimulation zu bieten, die körperliche Herausforderung wieder in den Alltag zu integrieren. »Gesunden« Städten, in denen statt Aufzügen und Rolltreppen Treppen wieder eine Rolle spielen, widmet sich etwa Emily Anthes in ihrem Buch »Drinnen«. »Burn calories – not electricity« steht auf Plakaten in öffentlichen Gebäuden in New York, um die Entscheidung zu befördern, lieber Treppen zu steigen als den Aufzug zu benutzen.

Paris Montmartre Treppen

Paris Montmartre Treppen

Paris Montmartre Treppen

 

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