PARISER INSELN: ILE AUX CYGNES

Pont de Bir-Hakeim: Die zweistöckige Seine-Brücke verbindet das 16. und das 15. Arrondissement – oben fährt die Metro, unten sind Autos, Radfahrer und Fußgänger unterwegs. Die 1905 erbaute Brücke wurde Ende der 1940er-Jahre nach einer Schlacht in Libyen aus dem Zweiten Weltkrieg benannt, doch berühmt ist sie eher wegen ihrer vielen Filmauftritte – nicht nur in »Der letzte Tango« mit Marlon Brando und Maria Schneider, auch in »Fahrstuhl zum Schafott«, »Zazie dans le Métro« und vielen weiteren. Über den Steinfundamenten scheinen monumentale Helden aus Gusseisen schwer am Gewicht der Metallarchitektur zu tragen.

Ile aux Cygnes: Die unbekannteste der drei Pariser Seine-Inseln, die schmale »Schwaneninsel«, 890 Meter lang und nur bis zu elf Meter breit, liegt wie festgezurrt zwischen dem Pont de Grenelle und dem Pont de Bir-Hakeim. Anders als ihre bebauten Schwestern Ile de la Cité und Ile Saint-Louis wurde sie künstlich aufgeschüttet – seit 1827 diente die Ile aux Cygnes als Schutz für den Flusshafen und erleichterte den Bau von Tragpfeilern für den Pont de Grenelle. Ihren Namen verdankt sie einer verschwundenen Insel weiter flussaufwärts, die Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Champ de Mars verbunden wurde. Dort hatte König Ludwig XIV. tatsächlich 40 Schwäne angesiedelt, ein Geschenk Dänemarks. Zu Beginn der 1930-er Jahre schlug der Architekt André Lurçat vor, die Insel als »Aéroparis« zu einer Flugpiste umzugestalten – mit der Landebahn oberhalb der drei Brücken und darunter Passagierabfertigung, Garagen, Büros. Das blieb Paris erspart, und so zieht sich heute eine Allee längs über die Insel und verlockt zu einer hübschen Promenade oder zu einer Pause im Schatten der mächtigen Pappeln, Kastanien, Linden, Weiden und Ahorn-Bäume, auf einer Bank mit Blick aufs Wasser. In einem der schönsten Romane von Patrick Modiano, »Im Café der verlorenen Jugend«, spazieren mit Louki und Roland zwei seiner Figuren nachts über die Allée des Cygnes, links und rechts von ihnen die Seine und die Lichter der Quais, mit dem Gefühl »auf dem Promenadendeck eines Schiffes zu sein«. Auch die Insel war schon Schauplatz im Film, etwa in »Frantic«. Ein Stück weiter flussabwärts gehören die Ile Saint-Germain und die Ile Seguin zu den Pariser Vororten Issy-les-Moulineaux und Boulogne-Billancourt.

Freiheitsstatue: Heute ist die Insel vor allem deswegen bekannt, weil an ihrer flussabwärts gelegenen Spitze die Statue de la Liberté gen Südwesten und Vereinigte Staaten blickt. Die im Maßstab 1:4 verkleinerte Ausgabe des Originals in New York wurde der Stadt von der amerikanischen Gemeinde in Paris geschenkt und anlässlich der Weltausstellung 1889 aufgestellt. Bei einer weiteren Weltausstellung im Jahr 1937 wurde die Bronzestatue in ihre heutige Richtung gedreht. Zuvor hatte sie dem Elyséepalast nicht den Rücken zuwenden sollen, doch ihr Schöpfer, Bildhauer Bartholdi, hatte sich beschwert. Alte Fotos zeigen, dass die Insel neben dem Champ de Mars und dem Chaillot-Hügel für die Exposition Internationale einbezogen und komplett bebaut wurde – sie fungierte als »Centre des colonies« und war unter anderem Standort der Pavillons von Marokko und Algerien. Hier am Ende der Allee, die über die ganze Insel führt, überquert der Pont de Grenelle die Seine. Unübersehbar liegt am rechten Seine-Ufer die Maison de la Radio, ein Rundbau aus den 1960er-Jahren, der neben Büros, Aufnahme- und Sendestudios auch Konzertsäle beherbergt – etwa das Studio 104, trotz seines Namens der große Saal, in dem während des Lockdowns stattfindenden Konzerte wie etwa von Melody Gardot. Sehenswert ist die 2013 erschienene Dokumentation »La Maison de la Radio« des französischen Regisseurs Nicolas Philibert, in der er die Arbeit der Menschen im Gebäude und dessen besondere Architektur vorstellt.

Front de Seine: Am linken Flussufer reflektieren die vielfenstrigen Fassaden des Viertels Front de Seine aus den 1970er-Jahren die Sonne – eines der wenigen in Paris, in denen etwas mehr als ein Dutzend Wohn- und Bürotürme die Skyline überragen. Unter knapp 100 Meter hohen Hochhäusern fallen das Gebäude mit der roten Aluminiumfassade und abgerundeten Fenstern (früher Hotel Nikko, heute Novotel) und die Tour Totem besonders auf. Bei diesem Hochhaus im Stil des Brutalismus ist die Betonstruktur über die gesamte Bauhöhe sichtbar. »Exprimer le squelette, la structure: c’est l’architecture. Tout le reste n’est que du décor.«, war die Maxime der beiden Architekten Pierre Parat und Michel Andrault. Ihr Bauherr hatte zudem eine Wespentaille (»taille de guêpe«) in den unteren Geschossen gewünscht. Wie quadratische Glaskisten hängen an jedem Pfeiler jeweils drei Wohnungen, um 45 Grad gedreht und so ausgerichtet, dass alle eine möglichst freie Sicht auf die Seine bieten. Der Optimismus der Stadtplaner, hier ein Pilotprojekt für die Zukunft zu bauen, muss jedoch als gescheitert gelten.

Paris Ile aux Cygnes

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Paris Ile aux CygnesParis Ile aux Cygnes Freiheitsstatue

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