PARISER INSELN: ILE DE LA JATTE
Seine-Insel: An einem schönen Oktobertag spazierte ich von Courbevoie über eine breite Seine-Brücke, die gerade für einen Volkslauf gesperrt war, hinüber zur Endstation der Metro-Linie 3. Eigentlich mit einem anderen Ziel, doch mitten auf der Brücke bemerkte ich, dass vor dem anderen Ufer noch eine Insel im Fluss liegt (weitere Seine-Inseln: Ile Saint-Germain, Ile Seguin, Ile aux Cygnes). Also habe ich mein Vormittagsprogramm spontan über den Haufen geworfen und die Ile de la Jatte – auch »La Grande Jatte« genannt – umrundet. Die etwas mehr als 10 Hektar große, etwa 2 Kilometer lange und bis zu 200 Meter breite Insel gehört nicht offiziell zum Pariser Stadtgebiet, sondern zum Département Hauts-de-Seine und liegt zwischen Levallois-Perret und Neuilly am einen und Courbevoie am gegenüberliegenden Seine-Ufer.
Insel der Impressionisten: Im Lauf des 19. Jahrhunderts siedelten sich zwar schon einige Betriebe der Automobil- und Luftfahrtbranchen an, doch blieb die Flussinsel in der Seine mit ihren Guinguettes vor allem ein Ziel für Ausflügler und Maler. Berühmt machte sie das pointillistische Gemälde »Un dimanche après-midi à l’île de la Grande Jatte« von Georges Seurat (1859–1891). Es zeigt die Insel als Freizeit-Idylle, bevölkert von Sonnenschirm tragenden Damen, Soldaten, Hunden und Kindern, einem Ruderer und einer Anglerin, einem Paar mit einem Affen an der Leine, einem seilhüpfenden Mädchen und weiteren Personen, und auch auf dem Wasser herrscht Betrieb. Am etwa 4 Kilometer langen Impressionisten-Rundweg verweisen Infotafeln auf weitere Gemälde von Claude Monet, Alfred Sisley, Albert Gleizes, Vincent van Gogh und Alexandre Nozal.
Parc de la Jatte: Durch den Park im Nordteil der Insel und auf dem Uferweg traben zu jeder Tageszeit viele Jogger und führen Spaziergänger ihre Hunde aus. An der flussabwärts gelegenen, nun bis auf ein Fundament leeren Nordspitze stand ursprünglich der Temple de l’Amour, der im 20. Jahrhundert an die Inselspitze flussaufwärts versetzt wurde. Zuvor ließ ihn um 1830 der spätere König Louis Philippe ebenfalls schon versetzen, aus dem Parc Monceau, wo ihn sein Vater 1773 hatte erbauen lassen, hierher in den Garten seines Château de Neuilly. Heute versteckt sich der Liebestempel hinter den Sportanlagen des Stade Neuilly Montclar und einigen Tennisplätzen. Eine Fußgängerbrücke führt hinüber in den Nobelvorort Neuilly.
Neuilly: Am Ende des Parc de la Jatte beginnt der mit vergleichsweise neuen Apartmenthäusern bebaute Teil der Insel, der zu Neuilly gehört. Man muss recht wohlhabend sein, um sich unter die rund 4000 Bewohner der Insel einzureihen, hier leben Wirtschaftsbosse und Prominente, die in einem Jahr mehr Einnahmen haben als andere Menschen während ihrer gesamten Lebenszeit versteuern. Neuilly ist eines der teuersten Quartiere ganz Frankreichs – was hier ein Quadratmeter Eigentumswohnung kostet, möchte ich lieber gar nicht wissen. Im stillen Seitenarm liegen zudem teils schick hergerichtete Hausboote, teils alte Lastkähne vor Anker, die einigen weiteren »happy few« das Wohnen am Wasser ermöglichen.