LINDSEY TRAMUTA: THE NEW PARIS

People, Places & Ideas: Gerade jetzt, wo Corona das Reisen nicht erlaubt, ist vielleicht die Zeit, ein so umfangreiches Buch über das »neue Paris« zu lesen. Denn die seit mehr als zehn Jahren in Paris lebende Amerikanerin Lindsay Tramuta beschränkt sich nicht auf kommentierte Adressen und Tipps im Stil eines Reiseführers, sondern holt weit aus, um Trends wie Street-Food-Trucks, Craft-Beer-Brauereien und Kaffeeröstereien vorzustellen, sie porträtiert und interviewt die Menschen dahinter und stellt angesagte Patisserien, Bistros, Boutiquen und Naturwein-Bars vor.

Driving the change: Am Anfang übertreibt die Autorin etwas, um bildhaft zu beschreiben — »then and now« – wie starr, statisch und vergangenheitsbezogen Paris bis vor ein paar Jahren gewesen sei, und verteufelt auch das schlechte Essen in den Brasserien in Bausch und Bogen –, um den Kontrast zu all den jungen Menschen mit neuen Ideen und Konzepten umso größer wirken zu lassen. Manches daran ist vielleicht etwas mit der amerikanischen Brille betrachtet, doch ganz unrecht hat Lindsay Tramuta auch nicht. Tatsächlich hat sich zuletzt viel getan in der französischen Hauptstadt, was die kulinarische Szene angeht. Mehr nebenbei beantwortet wird die Frage, wie das überhaupt geht in einer so teuren Stadt wie Paris – fast alle Neueröffnungen haben sich als Standorte die »ärmeren« Stadtviertel im Osten und Norden ausgesucht oder die bis vor Kurzem noch wenig gentrifizierten Bahnhofsviertel um Gare du Nord und Gare de l’Est. Die Autorin lebt unweit der Rue Oberkampf, »in the epicenter of the new dining«. »I have seen the city’s best spots sprout around me, in farther reaches of the 11th arrondissement and in nearby neighbourhoods on the city’s east side.« Im Sommer soll ein weiteres Buch der Autorin über »La Parisienne« in deutscher Übersetzung erscheinen (im Midas Verlag).

Contents: Im ersten Kapitel »Food & Dining« widmet sich Lindsay Tramuta den Neo-Bistros und der Bistronomie, und ich kann bestätigen, dass man im Servan, Le Six Paul Bert, Clamato, Frenchie, im Richer oder L’Office in angenehmem Ambiente wirklich gut essen kann. Weiter geht es mit den Foodtrucks (inzwischen fast schon wieder out) und dem Street-Food-Hype, den endlich akzeptierten Ausländern unter den trendsetzenden Köchen, darunter erstaunlich viele Japaner. Und welche Rolle die jungen Gastrokritiker von Le Fooding dabei spielten, den neuen Lokalen auch eine Öffentlichkeit zu verschaffen. Nicht vergessen werden die wieder handwerklich arbeitenden Bäcker und ihr Erfolg – ich habe auch schon vor »Du Pain et des Idées« in der Warteschlange gestanden –, und die neuen Gemüse- und Biowarenhändler wie Maison Plisson, L’Épicerie végétale und Causses.

Coffee, Sweets, Libations: In weiteren Kapiteln geht die Autorin ähnlich vor, was die Cafés und Coffeeshops wie Holybelly und Café Lomi, Pâtisserien, Weinbars und Bierbrauer wie die Paname Brewing Company am Bassin de la Villette angeht, danach geht es um Mode und Kunsthandwerk, Shoppingtipps und nette Hotels. Über manches habe ich hier auch schon berichtet, etwa die schöne Papeterie von Papier Tigre oder die Konfitüren der Chambre aux Confitures, viele der Adressen finden sich auch in meinen Paris-Reiseführern. Insgesamt 272 vollgepackte Seiten, die dank Interviews und Porträts der »Macherinnen und Macher« sowie der atmosphärischen Fotos von Charissa Fay einen lebendigen Eindruck davon vermitteln, was sich in Paris gerade an Neuem entwickelt.

 

Lindsay Tramuta, The New Paris, Abrams, 2017 New York

Lindsay Tramuta, La Parisienne, Midas Verlag, Zürich 2020

Paris Coffeeshop Boot