HANS VON TROTHA: DER FRANZÖSISCHE GARTEN
Barockgarten: In der Geschichte der europäischen Gartenkunst bildet der formale französische Garten einen Höhepunkt. Der Autor beginnt seinen Streifzug rund um Paris mit den Meisterwerken von André Le Nôtre (1613–1700). Den Gartenarchitekten von Finanzminister Fouquet verpflichtete Ludwig XIV. für Versailles, nachdem er in Vaux-le-Vicomte dessen Kunst im Umgang mit der Natur gesehen hatte. Anders als der Renaissancegarten ist der Barockgarten fortgeführte Architektur aus lebendigem Grün, in streng geometrischer Ordnung mit betonten Blickachsen. Ab 1663 entstand in Versailles ein ausgeklügeltes Gartenkunstwerk mit Terrassen, Treppen, Hecken und Alleen, Kanälen, Brunnen und Wasserspielen, überraschend durch Tiefenwirkungen und optische Täuschungen. Le Nôtres »Anlagen sind in ihrer Neuartigkeit, in der Komplexität der Berechnung und in der Prägnanz ihrer Wirkungen nie überboten oder auch nur eingeholt worden« (Seite 51).
Landschaftliche Stimmungsbilder: Ab Mitte des 18. Jahrhunderts löst der »englische« Garten den Barockgarten in Frankreich ab. Er gilt als naturnäher, doch schon am Beispiel von Ermenonville zeigt sich, dass sich auch die scheinbare »Natürlichkeit« von Landschaftsgärten gezielter Planung und festen Kompositionsregeln verdankt. Auch dort gab es Anschüttungen und Planierungen, künstliche Seen und Inseln. Weitläufige Rasenflächen kontrastieren mit geschickt gesetzten Einzelbäumen und Baumgruppen, dank mäandernder Bäche und geschwungener Gewässer wirken die Gärten wie Gemälde, geschaffen aus Elementen der Natur. Nie führen die Wege geradlinig durch den Park – stattdessen laden gewundene Serpentinenwege zu einem kontemplativen Spaziergang ein. Ein weiteres wichtiges Gestaltungsmittel neben der »serpentine« ist die Staffagearchitektur: Der Begriff bedeutet so viel wie Beiwerk für den schönen Schein und stammt aus der Landschaftsmalerei. Um ihre Naturszenerien zu beleben, fügten die Maler Menschen, Tiere und kleinere Bauwerke hinzu. In der Gartenkunst ließen die Auftraggeber ihre Anlagen mit Pyramiden und chinesischen Pagoden, Grotten, Einsiedeleien und künstlichen Ruinen ausstatten. Besonders beliebt als Architekturzitat war ein antiker Rundtempel mit Säulen, dessen Vorbild im römischen Tivoli steht – der Tempel der Sibylle, wie es ihn in den Parks von Méréville und Ermenonville gab und noch im 19. Jahrhundert im Pariser Parc des Buttes-Chaumont (Foto) platziert wurde. Die Kulissenarchitektur dient als Blickfang und als Bedeutungsträger, erzählerisches Moment und schmückendes Füllwerk – der Spaziergänger stellt die Bezüge her, identifiziert die Botschaften und sinniert über das Leben und die Vergänglichkeit, Freundschaft, Liebe und Einsamkeit. Viele dieser Kleinarchitekturen in historischen Parkanlagen sind allerdings verschwunden – ob im Désert de Retz oder in Méréville.
Grüne Kulturdenkmale: Vor Jahrhunderten angelegt und teils von mehreren Gärtner-Generationen gepflegt, teils aufgegeben und verwildert – historische Parkanlagen zu pflegen oder wiederherzustellen, erfordert besonderes Fachwissen. Als Restaurateure tauchen Vater und Sohn Henri und Achille Duchêne leider eher nebenbei im Buch von Trotha auf (Seite 59, 106 und 139), auch wenn der Autor explizit darauf verweist, dass das, was wir heute in Renaissance- und Barockgärten sehen, oft »eine Rekonstruktion aus dem späten 19. Jahrhundert« ist, »als nach einem Jahrhundert der Dominanz nicht-formaler Landschaftsgärten geometrisch struktierte Anlagen wieder hoch im Kurs standen«. In Vaux-le-Vicomte dauerte die Rekonstruktion dreißig Jahre, in Courances immerhin fünfzehn, von 1899 bis zum Ersten Weltkrieg. Gern hätte ich über diesen Aspekt französischer Gartendenkmalpflege etwas mehr erfahren. Denn auch in Versailles – bei aller Begeisterung für die Gestaltung durch Le Nôtre – spazieren Besucher nicht im Schatten von Bäumen, die der Gartenkünstler noch selbst gepflanzt hätte. Das Buch endet mit den »romantischen Wäldern« von Compiègne und Fontainebleau und dem Garten in Giverny.
Hans von Trotha: Der französische Garten, Wagenbach Verlag, Berlin 2022