GRANITHÄUSER UND SCHIEFERDÄCHER IN DER BRETAGNE
Küstensteinbrüche: Charmante Häuschen, Mühlen, kleine und große Kirchen, Bauernhöfe, teils ganze Dörfer mit Natursteinmauerwerk aus Granit prägen in der Bretagne das Landschaftsbild. Das Gestein ist extrem hart, sehr beanspruchbar und verwitterungsbeständig – er gilt als stabilster aller natürlichen Baustoffe. Das macht die schönen Bruchsteinhäuser robust und so langlebig, dass sie über Generationen Bestand haben. Dass es daher Granitvorkommen in der Region geben muss, liegt auf der Hand, dass Granit auch direkt am Meer abgebaut wurde, habe ich erst bei Wanderungen an der Küste begriffen. In Locquirec brachte es der grüne Granit zu größerer Bekanntheit, auf der Ile Grande wurde blauer und grauer Granit abgebaut. Schon ab dem Mittelalter, allerdings in geringerem Umfang für den Kirchenbau, während sich die Steinbrüche direkt am Wasser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über rund 14 Hektar erstreckten. Offensichtlich wurden Küstenstreifen und unbewohnte Inselchen jeweils für einige Jahre zum Abbau verpachtet. Zwischen 1860 und 1910 verdoppelte sich die Einwohnerzahl, weil Steinbrecher von überallher auf die Insel kamen und sie zur »l’île des carriers« machten. Rund 800 Tonnen täglich sollen sie abgebaut haben, für Pflaster- und Bordsteine und als Baumaterial, größter Steinbruch war Castel Erek. Die Arbeit als »tailleur de pierre« bei Wind und Wetter war schwer und gefährlich, nicht gerade hoch angesehen und schlecht bezahlt. Abtransportiert wurden die Granitblöcke per Schiff, was nicht immer gut ging, ab Anfang des 20. Jahrhunderts auch mit der Bahn. Seit Ende der 1980er-Jahre wird auf der Ile Grande kein Granit mehr abgebaut.
Rosa Granitküste: Ein besonders spektakulärer Abschnitt der bretonischen Küste ist nach dem Gestein benannt. In der Abenddämmerung tatsächlich in Rosa-, Rot- und Orangetönen leuchtend, wirkt der Granit tagsüber teils braun, teils kieselgrau, nur Flechten setzen leuchtend gelbe Akzente. Für die rötliche Farbe sorgt Feldspat, daneben schimmern Glimmer und schwarzer Quarz. Erosion durch Salzwasser, Wind und Wetter sorgte für zerklüftete, der Schwerkraft scheinbar widersprechende Felsformationen, den markantesten verlieh menschliche Phantasie sprechende Namen wie Pfannkuchenstapel (Tas de Crêpes), Hut Napoleons, Hexe (Sorcière), Schildkröte (Tortue) oder umgekippte Flasche (Bouteille renversée). Die an den Kanten abgerundeten Gesteinsformen verdanken sich übrigens einem physikalisch-chemischen Verwitterungsprozess mit dem schönen Namen Wollsackverwitterung (seltener Matratzenverwitterung). Übrigens: Der rosa, gelblich oder sandfarben getönte Naturstein verfärbt sich mit der Zeit braun – durch Rost. Aufgrund des hohen Anteils an Eisenverbindungen kommt es bei Kontakt mit Wasser und Sauerstoff zu Oxidationserscheinungen. In der Bretagne oft zu sehen, da es häufig regnet und an der Küste hohe Luftfeuchtigkeit herrscht.
Typisch bretonisch: Reetgedeckte Häuschen, die man »Chaumière« nennt, gibt es nur noch sehr wenige, die Dacheindeckung mit Schiefer dagegen ist weit verbreitet und hat eine lange Tradition. Der Naturstein wird in flache Platten (»ardoise de schiste«, »lauze de schiste«) aufgespalten und mithilfe spezieller Nägel oder Haken auf einer Unterkonstruktion aus Holz befestigt. Wie Granit zeichnet sich auch Schiefer durch seine Langlebigkeit aus, viele Dächer sind mit Moos und Flechten bewachsen. In keinem anderen europäischen Land wurde und wird so viel Schiefer verbaut wie in Frankreich, allerdings wird das Material heute größtenteils importiert (vor allem aus Spanien), denn die früher so bedeutenden Schiefervorkommen im Nordwesten in der Bretagne, bei Angers, im Département Corrèze und in der Region Tarn spielen kaum noch eine Rolle oder sind schon geschlossen.
Moosbedeckte Schieferdächer: Wie die einzelnen Schiefersteine so verlegt werden, dass das Regenwasser abfließt, dafür haben sich im Laufe der Jahrhunderte unzählige verschiedene Varianten etabliert, beispielsweise die Rechteck-Doppeldeckung. Bei historischen Dacheindeckungen ist häufig zu sehen, dass die sich überlappenden Schieferplatten nach oben zum First immer kleiner werden. Es gibt jedoch selbst in der Bretagne kaum noch Handwerker, die die traditionelle Verlegetechnik mit von Hand zugerichteten, sehr dicken Platten beherrschen. In der Bretagne weit verbreitet ist es, Schiefer mit anderen Materialien kombiniert zu verlegen, so sind keramische Firstziegel keine Seltenheit. Eine Rarität geworden sind dagegen Giebel- und Fassadenverkleidungen aus Schiefer, wie sie beispielsweise noch in Lannion oder Le Faou zu sehen sind.