WANDERN IN DER BRETAGNE: ROSA GRANITKÜSTE

Da schau her: Auf anderen Etappen des Zöllnerpfads waren wir allein unterwegs – jetzt im Oktober ist die Touristensaison an der bretonischen Küste eindeutig zu Ende. Zwischen Ploumanac’h und Perros-Guirec dagegen kommt uns eine Busladung österreichischer Senioren entgegen. Breit genug ist der Weg hier ja, der anderswo oft nur als schmaler Pfad zwischen mannshohem Farnkraut und undurchdringlichem Stechginster hindurchführt (der übrigens seinem Namen alle Ehre macht, sein »Stechen« ähnelt einem Stromschlag). Als GR 34 führt der »Sentier des Douaniers« an der gesamten bretonischen Küste entlang, vom Klosterberg Mont Saint-Michel bis zum Golfe du Morbihan – auf den etwa 1800 Kilometern nimmt der beliebte Fernwanderweg dabei jede kleine Bucht, die langen fjordartigen Einschnitte und jede Landspitze mit.

Rosa Granit: In der Abenddämmerung tatsächlich in Rosa-, Rot- und Orangetönen leuchtend, wirkt der Granit tagsüber teils braun, teils kieselgrau, nur Flechten sorgen für leuchtend gelbe Akzente. Für die rötliche Farbe sorgt Feldspat, daneben schimmern Glimmer und schwarzer Quarz. Erosion durch Salzwasser, Wind und Wetter sorgte für zerklüftete, der Schwerkraft scheinbar widersprechende Felsformationen, den markantesten verlieh menschliche Phantasie sprechende Namen wie Pfannkuchenstapel (Tas de Crêpes), Hut Napoleons, Hexe (Sorcière), Schildkröte (Tortue) oder umgekippte Flasche (Bouteille renversée, siehe Foto). Die an den Kanten abgerundeten Gesteinsformen verdanken sich übrigens einem physikalisch-chemischen Verwitterungsprozess mit dem schönen Namen Wollsackverwitterung (seltener Matratzenverwitterung).

Dart bretonische Art: Am Strand von Saint-Guirec soll im 7. Jahrhundert der walisische Mönch Guirec an Land gegangen sein, einer der Missionare keltischen Ursprungs, die die Bretagne christianisiert haben. Früher sollen heiratswillige junge Frauen versucht haben, dem Heiligen (damals noch eine Holzfigur, jetzt aus Granit) im kleinen Oratorium eine Nadel in die Nase zu stechen. Blieb sie haften, war ein Ehemann noch vor Jahresende gewiss. Schwer zu glauben, dass das zierliche Kapellchen, das bei Ebbe zwar leicht erreichbar ist, bei Flut aber mitten im Wasser steht, tatsächlich schon im 11./12. Jahrhundert erbaut sein und allen Sturmfluten und Winterstürmen getrotzt haben soll.

Fremdschämen: Ein Stück weiter steht auf einem Inselchen das neugotische Château de Costaérès, das Didi Hallervorden gehört. Leider reicht es jungen Touristen nicht, Fotos oder Selfies zu machen, nein, sie müssen auch noch eine Drohne losschicken. Scheu, dem Komiker auf die Pelle zu rücken, oder gar Rücksichtnahme oder Taktgefühl? Fehlanzeige. Erbaut wurde das historisierende Inselschlösschen Ende des 19. Jahrhunderts für Henryk Sienkiewicz, den polnischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger des Jahres 1905, der hier den historischen Roman »Quo vadis?« geschrieben haben soll.

Leuchttürme: Auch der Mitte der 1940er-Jahre an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus erbaute Phare de Mean Ruz, einer von den zahlreichen Leuchttürmen an der bretonischen Küste, besteht aus rosa Granit. Das benachbarte Haus dagegen wird nur fälschlicherweise für einen Bau von Gustave Eiffel gehalten – das Haus Ker Avel für seinen Sohn Albert ließ er 1903 unweit der Plage Saint-Guirec erbauen.

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