DEUTSCHLANDS SCHÖNSTE MARKTHALLEN: DER KÖLNER GROSSMARKT

Sanierungsfall: Zu Recht gilt die Kölner Großmarkthalle als ästhetisch besonders gelungen – nur kommt das außergewöhnliche, seit 1989 denkmalgeschützte Bauwerk bislang kaum zur Geltung und ist sanierungsbedürftig. Anders als in Frankfurt, Kassel, München oder Stuttgart ist die Kölner Markthalle dem Großhandel vorbehalten. Die 132 Meter lange Gewölbehalle mit einer Spannweite von 57 Metern wird von einem Schalendach überspannt, das sich nicht nur über die gesamte Fläche von 7500 Quadratmetern erstreckt, sondern auch ohne Stützen im Inneren auskommt. Stattdessen wird die parabelförmige Dachschale (mit nur 8 Zentimetern Stärke) von 22 Meter hohen, in dichter Folge stehenden Bögen aus Stahlbeton getragen. Der an der Gestaltung beteiligte Architekt war der städtische Oberbaurat Theodor Teichen (1896–1963), für das damals innovative architektonische Tragwerk zeichnete der Bauingenieur Ulrich Finsterwalder (1897–1988) verantwortlich. Die Belichtung von Norden ist ein klimatischer Trick, denn so fällt nie direkte Sonne durch die Fensterfronten der zwei übereinander gestaffelten Shed-Aufbauten in die Halle. Für die ökonomische Bewirtschaftung sorgten drei »Fahrbahnen« im Einbahnstraßensystem: durch drei Tore geht es hinein, durch drei weitere an der anderen Seite hinaus. Durchdacht ist auch der Keller (ebenfalls mit eigenen Zufahrten): Die Halle steht auf 260 Gewölbekappen, in denen die Händler ihre Waren kühl lagern konnten, ohne weitere Technik außer zwei Lastenaufzügen. Zwar waren zu dieser Zeit schon industrielle Kühlanlagen in Betrieb, vornehmlich in Brauereien und Schlachthöfen, doch die Kältetechnik war noch teuer, kontroll- und wartungsintensiv. Im Innenraum der Kölner Halle gab es zudem ein Restaurant im Emporengeschoss und eine Ladenzeile am östlichen Ende. Marktverwaltung, Personalräume und eine Standfläche für den Fischgroßhandel wurden in flachen, seitlichen Anbauten untergebracht.

Neues Bauen: Vorbilder mit dem noch neuen Baustoff gab es mit den Luftschiffhallen von Orly, 1922 und 1924 innerhalb einer kurzen Bauzeit errichtet, die während des Zweiten Weltkriegs leider zerstört wurden. Für die beiden 300 Meter langen, knapp 60 Meter hohen und etwa 90 Meter breiten Hangars entwarf und errichtete der Bauingenieur Eugène Freyssinet (1879–1962) ein Gewölbe aus hintereinander gestaffelten Stahlbetonbögen und Fensterbändern. Die Luftschiffhallen von Orly gelten als wegweisende Konstruktion in der Geschichte des Betonbaus. Das »Neue Bauen« der 1920er-Jahre setzte konsequent auf die Materialien Glas, Stahl und Beton. Denn damit ließ sich nicht nur materialsparend (also preiswert) und schnell bauen, auch kubische Körper und stützenfreie Räume konnten realisiert werden. Der in Köln beauftragte Baukonzern Dyckerhoff & Widmann hatte die Schalenbauweise in den 1920er-Jahren bereits bei der weltweit beachteten Frankfurter Großmarkthalle mit Tonnengewölben sowie den Großmarkthallen in Leipzig und Basel erprobt, deren Kuppeln bauliche Pionierleistungen waren. Volkstümliche Spitznamen wie »Gemüsekirche« (Frankfurt) und »Kohlrabizirkus« (Leipzig) zeigen, dass nicht nur die Kölner Großmarkthalle im leeren Zustand kathedralenartig wirkt…

Interessante Vorgeschichte: Beim Blick in die Vergangenheit erweist sich, dass Köln schon zuvor über eine imposante »Centralmarkthalle« verfügt hatte, die 1904 am Sassenhof (Heumarkt) ihre Tore öffnete. Trotz ihrer großzügigen Bauweise – für die 7500 Quadratmeter große Halle wurden 70 Wohnhäuser abgerissen – genügte die Markthalle jedoch bereits nach wenigen Jahren nicht mehr den Anforderungen einer wachsenden Großstadt. Ihre innerstädtische Lage erwies sich als Verkehrsproblem (wie in Paris bei den Halles centrales mit den berühmten Baltard-Pavillons aus Glas und Gusseisen, deren Verlegung nach Rungis 1960 entschieden wurde), obwohl sie Gleisanschluss an Eisen- und Straßenbahn besaß und nah zum Rheinauhafen lag. Also beschloss der Rat der Stadt Köln, den Großmarkt zu verlegen und eine langwierige Standortdiskussion begann (wie sie auch heute erneut für einen »Food-Hub« an der Peripherie als Ersatz für den Großmarkt geführt wird). Letztlich entschied man sich für Raderberg mit Verbindung zum Güterbahnhof Bonntor. Dort darf die Großmarkthalle noch bis Ende 2025 von den Händlern genutzt werden, dann folgt ab 2026 die Sanierung, bevor sie eine neue, noch offene Nutzung erhalten soll.

Köln im Dritten Reich: Dass die 1940 in vierjähriger Bauzeit fertiggestellte Großmarkthalle mitten in der Zeit des Nationalsozialismus nicht im sonst bevorzugten pathetischen Monumentalstil errichtet wurde, sondern in der modernen Architektursprache der Neuen Sachlichkeit, auch Internationaler Stil genannt, verdankt sie vermutlich der Tatsache, dass sie als reiner Zweckbau keine repräsentative Funktion hatte. Im Rahmen der NS-Stadtplanung für Köln fügte sich die Verlegung des Großmarkts nach der Machtergreifung 1933 durchaus gut zur »Durchlüftung« der Altstadt, im Vorgriff auf die Neugestaltung des Heumarkts. Bei der Sanierung sollten unliebige Bewohner vertrieben, die Illusion einer 500 Jahre alten Altstadt aber erhalten bleiben, mit spitzgiebligen Neubauten in mittelalterlicher Anmutung wurde sie zur Kopie ihrer selbst – und was nach Ende des Zweiten Weltkriegs wiederaufgebaut werden musste, war gerade mal ein paar Jahre alt. Zudem störte es nicht, dass für das geplante Marktgelände in Raderberg ein ehemaliger jüdischer Friedhof weichen musste (die Gebeine wurden auf den Friedhof in Bocklemünd überführt). Die ältere Markthalle dort, wo heute das Hotel Maritim am Rheinufer steht, wurde 1950/51 abgebrochen, obwohl sie nur teilweise beschädigt war. Der Wiederaufbau nach 1945 galt einer durch Bombenangriffe verwüsteten Stadt in Trümmern, umso bedauerlicher erscheint der Verlust eines rettbaren Gebäudes – denn was wirklich fehlt in Köln, ist eine zentrale Markthalle.

Großmarkthalle Köln

Großmarkthalle Köln