DEUTSCHLANDS SCHÖNSTE MÄRKTE: MARKTHALLE KASSEL

So schmeckt Nordhessen: Die Einkaufsatmosphäre ist herzlich, das Markttreiben rege, die Bedienung freundlich, die Beratung kompetent. Rund 50 Marktbeschicker aus Kassel und dem Umland bieten donnerstags bis samstags auf zwei Etagen in einer der schönsten Markthallen Deutschlands ihre Produkte an, zweimal wöchentlich zusätzlich auch auf der Freifläche davor. Für internationales Flair sorgen unter anderem der spanische Stand El Andaluz, der Italiener Busuito, die Weinhandlung Kuhn, diverse Käsestände, der Olivenladen Picholine und Christos Kostakopoulos mit griechischen Spezialitäten. Anders als in der Stuttgarter Markthalle überwiegen jedoch die regionalen Anbieter. Eine Teehandlung, ein Kaffeeröster, eine Fischräucherei, mehrere Bäcker und ein Unverpackt-Laden machen den Besuch im Supermarkt so gut wie überflüssig – in der Markthalle lässt sich ein ganzer Einkaufszettel abhaken. Meine Eltern erledigen wöchentlich ihren Einkauf dort, lassen sich gern noch bei Natalja Engraf Salzgurken und Sauerkraut einpacken, bevor sie bei einem Espresso das Wochenende einläuten.

Im Wursthimmel: Das vielseitige Angebot reicht von der vielgerühmten Ahlen Worscht bis zu Witzenhäuser Kirschen (auch in flüssiger Form als Obstbrand oder Likör). Nordhessen ist bekannt für seine Wurstwaren (ich habe sie in meiner Schulzeit kennen- und schätzen gelernt und importiere Leberwurst in der Blase und lang gereifte Stracke nach Elternbesuch immer noch nach Köln) und das macht sich in der Markthalle durch überdurchschnittlich viele klassische Metzger durchaus bemerkbar. Auch für Freunde ökologischer Landwirtschaft ist das Angebot erfreulich: bei Jana und Timo Opfermann türmt sich biologisch angebautes Gemüse und Obst, an der Biotheke gibt’s Käse, beim Biolandhof Armbröster Fleisch und Wurstwaren, und die Gutsbäckerei vom Biolandbetrieb Kragenhof schiebt nie Industrieteiglinge in den Ofen oder rührt Fertigmischungen an, sondern backt in alter Tradition, aus Biozutaten ohne Zusätze wie Geschmacksverstärker.

Unterm Glasdach: Seit fast 60 Jahren dient der eindrucksvolle Marstall in Kassel als Markthalle. Während des Zweiten Weltkriegs brannte der ursprünglich Ende des 16. Jahrhunderts im Renaissancestil errichtete Marstall bis auf seine Grundmauern aus. Einst hatte er im Obergeschoss die Kunst- und Raritätenkammer und die Bibliothek des Landgrafen beherbergt, im Erdgeschoss waren Pferde und Kutschen untergebracht. Mitte der 1950er-Jahre überließ das Land Hessen die Ruine kostenlos der Stadt, die sich entschied, die schwer beschädigten Überreste abzureißen und das Gebäude nach historischem Vorbild wiederaufzubauen. Im Jahr 1965 zog zunächst der Fleischmarkt ein, etwas später folgten die Obst- und Gemüsestände vom Königsplatz. 1994 erfolgte ein Umbau, bei dem die beiden Stockwerke durch eine zentrale Treppe miteinander verbunden wurden. Durch das Glasdach fällt so auch in das Untergeschoss Tageslicht. Inzwischen gibt es (unter neuen Betreibern seit Jahresbeginn 2021) erneut Umbaupläne, die vorsehen, dass alle Stände auf die obere Ebene ziehen und dafür die angrenzende Freifläche im kommenden Jahr mit einem Glasdach überbaut wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Markthändler dabeibleiben und nicht durch höhere Mieten und Gastronomie verdrängt werden – andernorts entwickeln sich leider manche Märkte immer mehr zu Food Courts.

Markthalle Kassel

Markthalle Kassel

Markthalle Kassel

Print Friendly, PDF & Email