BUCHMESSE LEIPZIG: NEUE SACHBÜCHER IM FRÜHJAHR 2023

Buchmesse Leipzig: Ende April findet in Leipzig wieder die Frühjahrs-Buchmesse statt, zu Gast ist 2023 Österreich. Feuilleton und Buchblogger, TV und Rundfunk begleiten das vielfältige Programm, teils schon vorab mit Hinweisen auf Neuerscheinungen, intensiviert während der Laufzeit. Die unendlich große Produktion an Romanen und Lyrik, Thrillern und Kinderbüchern, Ratgebern oder Graphic Novels habe ich nicht gesichtet, sondern mir nur aus den Frühjahrsvorschauen der Verlage Sachbuchtitel vorgemerkt, die ich lesen möchte – eine ganz persönliche Auswahl, die nur meinen Interessen folgt. Alle Zitate stammen aus den Vorschautexten.

 

Ehrengast Österreich: Der Auftritt eines Gastland regt dazu an, mal intensiver in den Neuerscheinungen österreichischer Verlage zu stöbern. Wer sich selbst umschauen möchte, findet unter https://buchhandel.at/verlag/ eine Übersicht zu rund 150 Verlagen mit Link zu den Websites. Im Verlag Kremayr & Scheriau erscheint »Armut« von Daniela Brodesser (März 2023), ein Bericht über »armutsbedingte Ausgrenzung, Beschämung und Verzweiflung«, – ein Thema, das alle angeht.

Für Stadtmobiliar wie Poller, Bänke, Abfallbehälter, Baumschutzgitter oder Straßenleuchten dürfte sich wohl nur eine Minderheit interessieren – ich gehöre dazu und werde mir »Nur in Wien« von Wolfgang Freitag aus dem Czernin Verlag sicher bestellen. Ob Wiener Würfeluhr, Litfaßsäule oder die Schriftart, die auf Straßenschildern zu sehen ist; ob Straßenbeleuchtung, Papierkörbe oder Kanalgitter: »Wolfgang Freitag geht in »Nur in Wien« dem Urbanen auf den Grund«, kündigt die Vorschau an.

 

Biografisches: Im Wiener Molden Verlag erscheint in der schön gestalteten Reihe mit Frauenbiografien, aus der ich hier schon den Band über Josephine Baker empfohlen habe, ein Titel zur französischen Königin »Marie Antoinette« (Februar 2023). Die Autorin Michaela Lindinger schreibt hoffentlich nicht ganz so reißerisch, wie das Buch angekündigt wird: »Eine wahre Flut an Fake News schlug über dem Kopf der »Ausländerin« zusammen. Die Habsburgerin wollte Herrin ihres eigenen Lebens sein. Dies vor allem wurde ihr zum Verhängnis. Und kostete sie den Kopf.«

Die Autorin Francesca Cartier Brickell, selbst Teil der Familie, erzählt die Geschichte der einflussreichen Schmuckdynastie Cartier. Das hört sich seriös an, leider wird das Buch als »funkelnde Saga« angekündigt, was es ja eher in die halbseidene Richtung »historischer Roman« rückt. Eine Leseprobe wird entscheiden müssen, ob ich das Buch kaufe (Juni 2023).

Und als Sohn schreibt Antony Penrose über seine Mutter, die Fotografin Lee Miller: »Immer lieber woanders hin«. Ein sehr schlechtes Buch über sie habe ich schon gelesen (und entsorgt), ob das »Leben einer weiblichen Ikone« aus der Nahperspektive besser gelingt? Ich bin gespannt (März 2023).

Ernst genommen werden möchte auch die Paarbiografie über »Kiki Man Ray«, das »Traumpaar der wilden Zwanziger«. Auch hier wird sich zeigen müssen, ob das »akribisch recherchierte, glänzend geschriebene Buch« des kanadischen Autors Mark Braude ein Sachbuch ist oder eine Romanbiografie – für letztere habe ich wirklich überhaupt nichts übrig.

 

Natur und Kultur: Am meisten freue ich mich auf einen wieder aufgelegten Titel von der Friedenauer Presse: »Der Lärm« von Theodor Lessing (1872–1933). Seine »Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens« ist eine »hellsichtige, höchst unterhaltsame Analyse der modernen Industriegesellschaft« (April 2023).

Als hätten sie sich abgestimmt – im Rowohlt Verlag erscheint »Die Welt ist laut« (April 2023). In seiner Kulturgeschichte des Lärms kommt der Autor Kai-Ove Kessler allerdings zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass »Lärm sogar Labsal, Erleichterung und pures Vergnügen sein kann«. Spricht da der Schlagzeuger einer Hardrockband?

Susanne Wiborg unternimmt mit »Der glückliche Horizont. Was uns Landschaft bedeutet« einen literarischen, naturkundlichen und historischen Streifzug durch acht Landschaften: Wald und Wiese, Moor und Heide, Felder und Flüsse, Berge und Küsten. Antje Kunstmann Verlag (Februar 2023)

»Geht Architektur nicht nur rückbaubar und recylingfähig, sondern auch grün?» fragt Nicole Pfoser und stellt »Grüne Fassaden« in einem Band der Edition Detail vor (Februar 2023). Das Buch zeigt gelungene Projektbeispiele für Vertikalgrün im urbanen Raum und will Lust darauf machen, »Pflanzen als Entwurfsmittel zu entdecken«.

Von dem französischen Historiker Michel Pastoureau, der sich mit der Kulturgeschichte von Farben beschäftigt, habe ich schon seine Geschichte der Farbe »Blau« gelesen. Im Wagenbach Verlag erscheint nun »Die Farben unserer Erinnerung« (März 2023), in dem der Autor von »blauen Hosen und von Rotkäppchens Haube, von Trikots und Farbfilmen, von schwarzen Katzen und monochromen Menüs, von Mondrian und Vermeer, von Vierfarbkugelschreibern und Rotgrünblindheit« erzählt.

Der Schweizer AT Verlag hat ein Buch über »Die Walnuss« angekündigt, allerdings noch ohne Erscheinungsdatum. Autor Jonas Frei will darin alle in Europa kultivierten Arten vorstellen und Geschichte und Kultur eigene Kapitel widmen. Als Landschaftsarchitekt und Stadtökologe kennt er auch exotische Arten aus Parks, Gärten und Baumschulen wie Ferkelnuss und Schwarznuss.

Und die Reihe »Kleine Gourmandisen« des Mandelbaum Verlags wird mit einem Band zur »Haselnuss« von Margot Fischer fortgeführt (März 2023).

 

Literatur: Der Wallstein Verlag bringt eine erweiterte und neu bebilderte Neuausgabe von Jürgen Serkes »epochalem Buch« »Die verbrannten Dichter«. Wer es noch nicht gelesen hat, kann das jetzt nachholen: »Serke zeichnete die Lebensgeschichten jener exilierten Schriftsteller und Schriftstellerinnen nach, deren Werke von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Die Portraitserie erschien zunächst im STERN und holte vergessene Autoren wie Irmgard Keun, Walter Mehring, Armin T. Wegener, Ernst Toller und Yvan und Claire Goll in das öffentliche Bewusstsein zurück. Serkes Wiederentdeckungen hatten maßgeblichen Einfluss auf die Lektüreinteressen einer Generation von Leserinnen und Lesern in Deutschland. Das Buch führte zu einer Wiederentdeckung der Exilliteratur.«

Pastoureau Farben

 

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