MONA HORNCASTLE: JOSEPHINE BAKER
Be different: Gekauft habe ich das Buch wegen seines Inhalts, aber jetzt rede ich doch erstmal über die Form – ein ausnehmend schön gestaltetes Druckerzeugnis! Mit Quietschgelb nimmt das Cover die Reihengestaltung der im österreichischen Molden-Verlag erscheinenden Biografien auf (in der auch Titel zu Hedy Lamarr und Margarete Schütte-Lihotzky erschienen sind). Innen wird das Gelb bei Titeln und Fotoseiten fortgeführt, das Violett des Vorsatz- und Nachsatzpapiers steht im ebenso quietschenden Kontrast dazu. Da traut sich jemand was! Ein Blick ins Impressum verrät, dass die Designagentur Bleed Vienna für Cover- und Buchgestaltung beauftragt wurde – glückliches Wien, dass sich eine mit rund 250 Awards ausgezeichnete Agentur auch noch mit Buchgestaltung abgibt (oder das bezahlbar sein lässt). Ich habe in Deutschland an sehr vielen Entscheidungen über Cover teilgehabt, leider stammten in den unterschiedlichsten Verlagen alle nur von einer Handvoll Agenturen. Vielleicht liegt es auch daran, dass der deutsche Buchmarkt von Cover-Dubletten nur so wimmelt…
Der erste afroamerikanische Superstar: Lesen wollte ich das im Oktober 2020 erschienene Buch vor allem wegen der Zeit in Frankreich, in der die Tänzerin und Sängerin Josephine Baker (1906–1975) zum Weltstar wurde, und neugierig gemacht hatte mich außerdem der Hinweis auf Josephine Bakers Aktivitäten in der Résistance während der deutschen Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg. Besonders beeindruckt hat mich aber das erste Kapitel über ihr Aufwachsen in bitterer Armut. Die Beschreibung von Kindheit und Jugend in St. Louis (Missouri) in den USA hat mich an die Autobiografie von Maya Angelou erinnert: »Meine glücklichste Kindheitserinnerung? Da fällt mir wirklich nichts ein. Aber ich kann erzählen, was meine fürchterlichste war…«. Doch auch die folgenden Kapitel über die verrückten 1920er-Jahre in Paris, Welttourneen und Allüren, Widerstand in Frankreich und Bürgerrechtsbewegung in den USA, Familiengründung und Geschlechterrollen lesen sich spannend. Die im Text oder auf Aufmacherseiten größer hervorgehobenen Zitate bringen Rassismus (»Farbige sind nicht genötigt, zu provozieren: Die Zwischenfälle ereignen sich von ganz alleine.«), Storytelling für die Karriere (»Ich lüge nicht. Ich mache das Beste aus meinem Leben.«) und Lebensstationen auf den Punkt (»Ich bin schwarz, aber ich bin Französin. Ich liebe Paris.«). Ende der 1930er-Jahre mietete Josephine Baker das Schloss Les Milandes im Périgord, das sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs kaufte, um dort ihre »Regenbogenfamilie« unterzubringen – zehn adoptierte Jungen und zwei Mädchen aus unterschiedlichen Kulturkreisen (Schloss und Gärten können besichtigt werden). Nachtrag 2021: Josephine Baker wird am 30. November ein Ehrenbegräbnis im Pariser Panthéon erhalten – als erst sechste Frau – aufgrund ihrer Verdienste im französischen Widerstand und im Kampf gegen Rassismus.
Die Autorin: Mona Horncastle hat viele Quellen ausgegraben und gründlich recherchiert. Erfreulicherweise bleibt sie dennoch knapp und verliert bei all ihrem interessanten Material zu den historischen Hintergründen und der Lebensgeschichte nicht ihr Ziel aus den Augen – Einblicke in ein unkonventionelles Leben zu geben und neben der damals bestbezahlten Entertainerin auch die Kämpferin gegen Rassismus und Diskriminierung zu würdigen.
Der Verlag: Der 1964 von dem Widerstandskämpfer, Journalisten und Zeitungsherausgeber Fritz Molden (1924–2014) gegründete Verlag ist – nach wechselhaften Zeiten mit Konkurs, Neugründung und Verkauf – seit 2007 Bestandteil der Verlagsgruppe Styria, dem drittgrößten Medienunternehmen Österreichs, zu dem zahlreiche Tages- und Wochenzeitungen, Magazine sowie Druckereien und Buchverlage gehören. Neben Sachbüchern zu Politik und Kultur, Gesellschaft und Geschichte in Österreich – insgesamt nur knapp ein Dutzend pro Jahr – erscheinen im Molden Verlag auch Biografien.