BRETONISCHE GÄRTEN: JARDIN DE KERDALO
Mit Pflanzen malen: An der bretonischen Nordküste liegt der Jardin de Kerdalo, ein Landschaftsgarten mit Herrenhaus im englischen Stil. Gestaltet hat die Gärten ab 1965 der russische Maler Peter Wolkonsky (1901–1997). Auf 18 Hektar schuf er einen romantischen Garten, komponiert wie ein impressionistisches Landschaftsgemälde. Viele Jahrzehnte hat sich seine Tochter Isabelle Vaugham um die Anlage gekümmert, doch vor Kurzem, im Frühjahr 2021, hat sie den Besitz an Christian Louboutin verkauft, den französischen Schuh- oder besser gesagt High-Heels-Designer, dessen Markenzeichen die rote Schuhsohle ist.
Jardin remarquable: Mit seiner großen Artenvielfalt, seiner Lage in der bretonischen Hügellandschaft am Jaudy und seiner abwechslungsreichen Gestaltung zählt Kerdalo zu den schönsten französischen Gärten des 20. Jahrhunderts. Und er bezaubert er gleichermaßen Fachleute wie Liebhaber der Gartenkunst – wie den Jardin Georges Delaselle auf der Ile de Batz machte mich auch auf Kerdalo ein Beitrag der Arte-Reihe »Magische Gärten« aufmerksam. Die Natursteinmauern sind von Kletterpflanzen berankt, oberhalb des Herrenhauses blüht und wächst es auf den sogenannten Terrassen mediterran um die Wette, reichliche Wasserflächen lockern das Ambiente weiter auf. Denn dank mehrerer Quellen auf dem Grundstück konnten die Bächlein zu einem großen See, weiteren Teichen und einem »Kanal« aufgestaut werden. Wasser ist hier ein roter Faden – mit einer Wassertreppe, einer Grotte, Bas-Reliefs aus Muscheln, einem Pavillon am Kanal …
Garten der vier Quadrate: Von der Freifläche vor dem Herrenhausaus blickt man auf den tiefer gelegenen »Jardin des quatre carrés«, den Glyzinien-überwucherte Ecktürmchen und eine unter ebenso rauschartig blühenden Rankpflanzen kaum noch zu erspähenden Mauer einfassen. Gleich unterhalb des formal gestalteten Teils treffen ein englischer Garten und ungemähte Wiesen aufeinander. Vor dem etwas höher gelegenen Wald erstreckt sich die sogenannte »Lande dorée«, die Goldheide, wo noch am deutlichsten das Gartenkonzept des Malers präsent ist – ein lebendes Bild mit starken Farben wachsen zu lassen. Aber auch hier habe ich mich gefragt, ob nicht eigentlich alles viel zu groß geworden ist…
Riesen-Rhabarber: Der Weg am großen See entlang führt vorbei an einer Quelle des Gartens, die nach dem Schutzheiligen der Gärtner Saint-Fiacre genannt wurde. Hier gedeihen Sumpfstauden wie weiße Kalla (Zantedeschia aethiopica) und gelbe Schwertlilien, Baum- und Kettenfarne und Bambus. Am unteren Talende mit einer Grotte im italienischen Stil, ein durch Quellen und zwei weitere Teiche feuchter Bereich, ließ Peter Wolkonsky einen dichten, üppig grünen Dschungel wachsen. Am eindrucksvollsten sind die »Wälder« aus mehr als mannshohem Mammutblatt (Gunnera manicata). Die wie Riesen-Rhabarber wirkende gigantische Blattstaude ist ursprünglich in Brasilien beheimatet, wo sie in Feuchtgebieten und Sumpflandschaften, an Bachläufen und am Ufer von Gewässern vorkommt. Der Durchmesser ihrer Blätter und die Höhe ihrer Stängel kann bis zu 2 Meter erreichen. Kein Wunder, dass man besonders hier im Feuchtbiotop das Gefühl hat, in einen Tropenwald einzutauchen.
Üppige Blütenpracht: Das Wasser fließt munter weiter hinab in den Jaudy und von einem erhöht liegenden Aussichtspunkt eröffnet sich ein prachtvoller Blick auf die ehemalige Bischofsstadt Tréguier (Département Côtes d’Armor) und ihren Sporthafen. Auf anderen Wegen geht es zurück zum Herrenhaus, mit zwei Abstechern zu der am Kanal gelegenen Pagode und zum Taubenturm unweit des Eingangs. Außer den mächtigen Baumriesen beeindruckt in der Parkanlage vor allem auch die Rhododendron und Azaleenblüte.