PARIS STRASSENWEISE: RUE DES MARTYRS

Foodie-Tour: Vom Boulevard de Clichy führt die unspektakuläre, aber belebte Straße den Hügel hinab bis zur Kirche Notre-Dame-de-Lorette und verbindet Montmartre mit dem 9. Arrondissement. Hier in SoPi (für »South of Pigalle«) reihen sich hübsche Läden und Lokale aneinander, die vor allem ›Foodies‹ ansprechen – von der kultigen Rose Bakery über elsässische Feinkost und provenzalisches Olivenöl bis zum Minilädchen einer Konfitürenköchin und der fantastischen Konditorei von Sébastien Gaudard, in der alles zum Anbeißen ausschaut. Früher lag das ruhige Wohnviertel auf dem touristischen Stadtplan von Paris abseits aller Trampelpfade, denn fast alle Sehenswürdigkeiten liegen anderswo. Doch in den letzten Jahren ändert sich das, mit seiner Village-Atmosphäre ist das neue Szeneviertel nun ein Quartier, in dem hippe Coffeeshops und coole Hotels, neue Restaurants und kleine Conceptstores eröffnen – mit allen Vor- und Nachteilen einer solchen Entwicklung. Start: Métro Pigalle, Ziel: Métro Notre-Dame-de-Lorette

Frankreich entdeckt den Kaffee neu, seit Röstereien und Coffeeshops aus dem Boden sprießen. In den KB Caféshop an der Place Lino Ventura strömen junge Pariser auch, weil sie mit ihren Notebooks dort gratis online gehen können. Die wenigen Plätze drinnen und draußen sind daher meist besetzt, also ist etwas Glück gefragt, wenn man den Morgen mit einem Café aus eigener KB-Röstung beginnen will (Mo–Fr 7.45–18.30, Sa, So 9–18.30 Uhr). www.kbcafeshop.com

KB Coffee RoastersNr. 55: Teeliebhaber kaufen schwarzen, weißen und grünen Tee in den weißen Dosen der Collection T. Für Kräutertees fragt man nach »infusions« oder »tisanes« – ich empfehle beispielsweise Verveine (Eisenkraut / Verbene) in Bioqualität und die Mischung Ginger Power (mit Ingwer, Apfel, Zitronen- und Orangenschale). http://collection-t.fr

Nr. 54: Ein Stück weiter die Straße hinunter fällt die Temperatur auf Minusgrade: Neben saisonalen Sorten hält die Eisdiele GlacesGlazed immer Eiscreme und Sorbets mit so schönen Namen wie Cococaine oder Greapfruit Dead vorrätig, teils mit Wasabi, Piment d’Espelette oder Kardamom gewürzt. Unter den Sommersorten ist das Himbeersorbet Dirty Berry mein Favorit. www.glaces-glazed.com

Nr. 46: Die Erfolgsgeschichte der Rose Bakery begann hier im 9. Arrondissement. Obwohl es in Paris an jeder Straßenecke Bäckereien gibt, verbreitete sich der Ruf der englischen Bio-Backwaren erst in der Stadt und dann weit über sie hinaus. Jetzt gibt es die Carrot Cakes, Scones, Salate und warmen Speisen auch im Kaufhaus Bon Marché, in London und New York. Und der kleine Laden wurde um ein Take-away nebenan erweitert. www.rosebakery.fr

Nr. 39: Gleich im Eckladen gegenüber ist die Maison Delmontel als klassisch französische Bäckerei und Pâtisserie berühmt für ihr Baguette und köstliche Törtchen. Wer mag kann das hausgemachte Eis (ohne Farb- oder Aromastoffe) dem direkten Vergleich zum eben verzehrten unterziehen. Die Auswahl an Brot in Bioqualität ist erfreulich, auch das leckere Pain de campagne aux noix (Walnussbrot), das Pain de seigle (Roggenbrot) und Baguette sind dabei.  www.arnaud-delmontel.com

Nr. 37 und 44: Ein anderer Trend ist jedoch, nicht mehr die ganze Bandbreite der französischen Backkunst anzubieten, sondern sich zu spezialisieren. Bei Mesdemoiselles Madeleines wird ausschließlich das Teegebäck Madeleines verkauft, auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat sich Popelini auf »Choux« spezialisiert, keine Kohlköpfe, sondern mit Creme gefüllter Brandteig. Die Madeleines, ein muschelförmiges Sandgebäck ursprünglich im 18. Jahrhundert in Lothringen erfunden, kamen im frühen 20. Jahrhundert bei Marcel Proust zu literarischen Ehren. Dank der Mini-Madeleines kann man sich durchs Sortiment probieren, von Zitronen- und Vanille-Aroma bis zu den Nuss- und Schokoladenvarianten. www.mllesmadeleines.com https://popelini.com

Nr. 22: In seiner nostalgisch eingerichteten Patisserie mit der dunkelgrünen Fassade, altmodischen Vitrinen und Zementfliesen wartet der Konditor Sébastien Gaudard mit Neukreationen der Klassiker Paris-Brest, Mont Blanc oder Saint-Honoré auf und fertigt luftige Macarons, gefüllte Eclairs und feine Pralinen. Für mich zählt er zu den ganz großen Konditoren Frankreichs, seine Törtchen sind etwas ganz Besonderes. Ich sage nur: Tarte au citron! Im März hat der Patissier, Glacier, Chocolatier und Confiseur in einem Interview mit dem Figaro über den Wandel in der Rue des Martyrs gesprochen – es wird schicker, ein paar alteingesessene Traditionsgeschäfte haben sich schon verabschiedet (darunter leider auch Terra Corsa in Nr. 42 mit korsischen Spezialitäten). Früher kamen nur die Anwohner zum Einkaufen in die Marktstraße, jetzt bummeln hier am Wochenende auch Pariser aus anderen Vierteln und immer mehr Touristen an den Schaufenstern vorbei – wie ich selbst ja auch.  www.sebastiengaudard.com

Nr. 21: Mit der Maison Thielen und ihrem Inhaber Stéphane Thielen ist ein junger, qualitätsbewusster Charcutier und Traiteur in die Rue des Martyrs gezogen, der seine Ausbildung im Elsass gemacht hat, wo er das Wursten und Räuchern von der Pike auf erlernte. Neben hausgemachtem gekochtem Schinken, Kaninchenterrine, Pâte de Campagne, Blutwurst und Presskopf  sowie unterschiedlichen Würstchen bekommt man hier auch eine Tourte Vigneronne (Winzerpastete) oder einen Kouglhopf. https://maisonthielen.com

Und noch ein paar Schritte weiter präsentiert der Palais des Thés in Nr. 13 schwarzen und grünen Tee sowie erlesene First-Flush-Sorten. In Nr. 9 offeriert Premiere Pression Provence eine große Auswahl an Olivenöl aus der Provence in leicht transportierbaren Dosen. Die Chambre aux Confituresebenfalls in Nr. 9, verführt Naschkatzen mit einer riesigen Auswahl an Konfitüren, Fruchtaufstrichen und Nusscremes, die alle probiert werden können, während im Süßwarengeschäft Käramell in Nr. 15 Bonbons und skandinavische Lakritze locken. https://lachambreauxconfitures.com/fr/ www.palaisdesthes.com/fr/ www.karamell.fr

Die Übersicht mag den Eindruck vermitteln, in der Rue des Martyrs gäbe es nur süße Sachen, doch außer solchen Nasch-Stopps gibt es dazwischen noch Weinhandlungen und Metzgereien, ein Sushi-Lokal und ein Asia-Take-Away, eine Risotteria und eine Crêperie, einen Fisch- und einen Obst- und Gemüsehandel, nicht zu vergessen Cafés und Bars, Blumengeschäfte und Pizzerien.