MARSEILLE: SHOPPING FÜR FOODIES
Morgens einen Café zum Aufwachen? Schmeckt auch am Stehtisch oder Tresen direkt in der Kaffeerösterei (und meist deutlich besser als im Hotel). Zwei alteingesessene Marseiller Traditionsunternehmen sind mein Tipp – die Torrefaction Noailles an der Canebière gibt es seit 1927, die Maison Debout in der Rue François Davso in der Nähe der Oper ebenfalls schon seit 1932. An der Canebière gibt’s zum Espresso, Mokka oder Milchkaffee auch Gebäck, und laut Website steht hinter dem altmodischen Tresen ab und zu der Enkel des Gründers. Bei der Maison Debout gehört zum »Café Gourmand« ein Stückchen der »Barre Marseillaise«, eine schokoladige Spezialität der Stadt in Riegelform. Es gibt sie mit Orangengeschmack oder Amarenakirschen, oder – mein Favorit – croquante, mit Krokantsplittern. Weil beides keine Cafés, sondern Röstereien sind, kann man die Bohnen für den Lieblingskaffee gleich mitnehmen – mehr als 30 Sorten stehen zur Wahl.
Pastis und andere südfranzösische Spezialitäten: Ein Mann gebürtig aus Marseille erfand 1932 das Rezept für den Anisschnaps – Paul Ricard (1909–1997). Oder genauer gesagt, erfunden hatte er den Pastis schon in den 1920er-Jahren, nachdem gerade der Absinth verboten worden war. Nur die offizielle Erlaubnis stand noch aus, zunächst musste er dauernd Strafe zahlen. Heute ist das Unternehmen Ricard Teil eines Konzerns wie auch die Konkurrenz Pernod. Wer nicht die überall erhältlichen großen Marken mit nach Hause nehmen möchte, sondern einen handwerklich gefertigten Pastis aus der Region, wird am Vieux Port fündig – die Maison du Pastis hat eine Eigenmarke im Sortiment, sowie fast hundert weitere, darunter so renommierte wie Henri Bardouin und Janot. Auch in der Epicerie L’Idéal steht so allerhand in den Regalen, was sich als Mitbringsel eignet – Piment d’Espelette als Pulver, Paste oder Gelee und andere Gewürze, Käse, Oliven oder Zitronenmarmelade aus Menton. Hier kann man mittags an ein paar kleinen Tischchen drinnen oder draußen vor der Tür mitten im Trubel des arabischen Noailles-Viertels auch essen – es gibt eine überschaubare, aber ansprechende Tageskarte. Inhaberin Julia Sammut war früher Foodjournalistin, ihre Mutter ist Sterneköchin in der Provence – von Qualität versteht sie also etwas.
Kräuterkammer: Die Maison Blaize ist nicht nur eine Apotheke, sondern auch eine klassische »Herboristerie« – hier bekommt man getrocknete Kräuter lose oder als Teemischung. Ich habe mir die Kräutertees »Calanque de Morgiou« und »Tisane du Centenaire« gekauft, allerdings soll das keine Empfehlung sein, da ich explizit nach bitteren Mischungen gefragt habe, das mag ja nicht jeder. Im kleinen Teesalon gegenüber der Apotheke kann man die Spezialitäten teilweise probieren, ein freundlicher junger Mann aus der Normandie, der in Marseille heimisch geworden ist, berät gerne. In der Vielzahl der nach Vierteln und Sehenswürdigkeiten benannten Tees findet sich sicher ein Treffer, vielleicht Château d’If mit Anis, Vieille Charité mit Löwenzahn, Notre-Dame de la Garde mit Minze oder Rue Saint-Ferreol mit Lavendel, Roibusch und Hibiskus.
Das bisschen Haushalt: Die 1827 eröffnete Maison Empereur verteilt sich geradezu labyrinthisch über gleich mehrere Gebäude – ein Eckladen ist Messern vorbehalten, nebenan gibt’s hochwertige Kochtöpfe, Bräter und Pfannen aus Gusseisen und Kupfer, eine Ecke ist eine Fundgrube für Backformen, ein anderes Regal für altmodisches Emaillegeschirr. Weil die bald 200 Jahre alte Maison Empereur eine echte »Quincaillerie« mit Bricolage-, Jardinage- und Droguerie-Abteilung und kein modischer Dekoladen ist, findet man hier in Ali Babas Haushaltshöhle genauso Putzmittel und Wäscheklammern, Harken und Besen, Leuchtmittel und Steckdosen, »bleus de travail« (Arbeitskleidung) und Werkzeugkästen, Haken und Nägel. Küchenhelfer jeglicher Art. Und das Reich der Inhaberin Laurence Renaux wird immer größer, ein Ballsaal in der ersten Etage kam dazu, auch ein Apartment im Haus wird vermietet, und altes Kinderspielzeug weckt Erinnerungen an früher. Wie wär’s also mit einem Walnusssammler (boule ramasse noix), einem Spargelstecher (gouge à asperges) oder einer Maronipfanne (poêle à marrons)? Ich nehme mir beim nächsten Mal bestimmt eine Gemüsebürste aus Kokosfasern (brosse à légumes) mit, diesmal waren es zwei Minispringformen! Wer nach all der Kocherei in der Küche ein bisschen Meeresbrise aus Marseille vermisst – ich bringe mir immer den Raumduft »Brume marine« von Durance mit, einem Unternehmen aus der Provence mit Ladengeschäft in der Rue Francis Davso.
Schiffchen und anderes Gebäck: Le Four des Navettes, die älteste Bäckerei der Stadt, besteht schon seit 1781. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Abbaye Saint-Victor gelegen, war sie jetzt gerade am 2. Februar Teil der Prozession zu Maria Lichtmess. Bei der Fête de la Chandeleur wird eine schwarze Madonnenstatue zur Klosterkirche gebracht und auch das Gebäck gesegnet. Die schiffchenförmigen Kekse wiederum sollen an das Boot erinnern, mit dem Maria Magdalena, Martha und Lazarus in der Camargue landeten und die Provence missionierten – eine südfranzösische Variante der christlichen Überlieferung. Früher war der 2. Februar übrigens das offizielle Ende der Weihnachtszeit. Um Canistrelli, Navettes, Cucciole und Sablés einzukaufen, sind aber auch die Boulangerie Aixoise (an der Oper) und die Bäckerei Les Navettes des Accoulés (auf der anderen Seite des Vieux Port) gute Adressen. Mit Anis-, Zitronen- oder Orangengeschmack, Mandeln oder Schokolade sind die haltbaren Plätzchen Reiseproviant oder nette Mitbringsel. Und wer sich mal selbst versorgen will statt ins Restaurant zu gehen, findet im Pain de l’Opéra nicht nur süße, sondern auch herzhafte Leckereien.
… und noch so viel mehr: Was alles noch fehlt, sind die gut sortierten Weinhandlungen, Läden wie Nouchig mit Mandeldragees und andere Chocolaterien, die orientalischen Patisserien mit Baklava und Beignets, süßem Brikteig-Gebäck mit Honig oder Mandeln und natürlich die Wochenmärkte. Auch bei den Obst- und Gemüseläden in der Rue Aubagne bekommt man je nach Jahreszeit frische Zutaten und Kräuter, immer aber diverse Oliven- und Nusssorten, Salzzitronen und »Verschärftes« von Peperoni bis Harissa. In Marseille herrscht wahrlich kein Mangel an Einkaufsadressen für Weinliebhaber, Feinschmecker und Foodies, Schokoladenfans und Kaffeetanten. Weil ich das schon vom Aufenthalt im letzten Jahr wusste, habe ich im Koffer genug Leerraum gelassen.
Torréfaction Noailles, 56 La Canebière, www.noailles.com, Mo–Sa 7–19, So 10–18 Uhr
Maison Debout, 46 Rue Francis Davso, tgl. 8.30–19.30 Uhr
Maison du Pastis, 108 Quai du Port, www.lamaisondupastis.com, Mo–Sa 10–19, im Sommer auch So 10–17 Uhr
Epicerie L’Idéal, 11 Rue d‘Aubagne, www.epicerielideal.com, Di–Sa 9.30–19 Uhr
Maison Empereur, 4 Rue des Récollettes, www.empereur.fr, Mo–Sa 9–19 Uhr
Durance, 40 Rue Francis Davso, www.durance.fr, Mo–Sa 10–14, 14.30–19 Uhr
Four des Navettes de Saint-Victor, 136 rue Sainte, Mo–Sa 7–20, So 9–13 und 15–19.30 Uhr
Boulangerie Aixoise, 45 Rue Francis Davso, www.biscuiteriemarseillaise.fr, Di–Sa 6.30–19.30 Uhr
Les Navettes des Accoules, 68 Rue Caisserie, www.les-navettes-des-accoules.com, Mo–Sa 9.30–19, So 10–18 Uhr
Maison Blaize, 5 Rue Meolan, www.pereblaize.fr, Mo–Sa 9–17.30 Uhr
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