BUCHMESSE FRANKFURT: NEUE SACHBÜCHER IM HERBST 2022

Buchmesse Frankfurt: Im Oktober findet in Frankfurt wieder die weltweit größte Buchmesse statt. Feuilleton und Buchblogger, TV und Rundfunk begleiten das vielfältige Programm, teils schon vorab mit Hinweisen auf Neuerscheinungen, intensiviert während der Laufzeit. Die unendlich große Produktion an Romanen und Lyrik, Thrillern und Kinderbüchern, Ratgebern oder Graphic Novels habe ich nicht gesichtet, sondern mir nur aus den Herbstvorschauen der Verlage Sachbuchtitel vorgemerkt, die ich lesen möchte – eine ganz persönliche Auswahl, die nur meinen Interessen folgt. Alle Zitate stammen aus den Vorschautexten.

Ehrengast Spanien: So ein Gastland spornt deutschsprachige Verlage immer an, den einen oder anderen Titel zu diesem Anlass übersetzen zu lassen. Naturgemäß vor allem Belletristik, Sachbücher passen von Perspektive und Thematik oft nur bedingt für ein deutsches Lesepublikum. Das gilt nicht für das Buch von Sergio Del Molino, denn es geht zwar um Spanien, behandelt aber mit der Landflucht exemplarisch ein auch jenseits der Landesgrenzen relevantes Thema. »Leeres Spanien. Reise in ein Land, das es nie gab«, übersetzt von Peter Kultzen, erscheint im Wagenbach Verlag (Sept. 2022): »Mehr als die Hälfte Spaniens ist leer: Die Bevölkerung verteilt sich zu etwa 75 Prozent auf Madrid im Zentrum sowie die Küstenregionen. Der Rest ist Landschaft, mit sterbenden Dörfern und einer Bevölkerungsdichte, die in Europa nur von Lappland und Teilen Finnlands unterschritten wird. Del Molinos Buch hat in Spanien eine kaum vorstellbare Wirkung entfaltet, Parlamentsdebatten, Gegenbücher, sogar die Gründung einer Partei angeregt.«

Autobiografisches: Wer gern Bücher von klugen Frauen liest, kann sich auf »Zeit meines Lebens. Was war und was noch ist« von Hannelore Schlaffer freuen (zu Klampen Verlag, bereits erschienen). Mit ihren autobiografischen Miniaturen setzt der Verlag eine kleine Reihe mit Essays der Autorin fort. Ihre Chronik einer intellektuellen Emanzipation ist zugleich eine »alltagshistorische Bestandsaufnahme, die von der frühen Bundesrepublik bis in die Jetztzeit führt«.

Ein besonderes Lesevergnügen verspreche ich mir von einer absolut unkonventionellen Autobiografie: der belgische Autor Charly Delwart erfasst sein »Leben in Zahlen« (Friedenauer Presse, aus dem Französischen von Milena Adam).

Literatur: Dass mich die ABC-Form interessiert, habe ich hier schon kundgetan, und auch erläutert, warum sie gerade das Werk von Autor:innen erfreulich unakademisch erschließt. Freuen kann ich mich nun auf zwei weitere Exemplare mit alphabetischer Ordnung: »Dürrenmatt von A bis Z. Eine Fibel zum Werk« (Wallstein Verlag, Nov. 2022) und »Das Marcel Proust Alphabet« (Friedenauer Presse, Okt. 2022) von Luzius Keller, das sich von dem Vorläufer von Ulrike Sprenger allein schon durch die Wahl der Einträge unterscheiden dürfte.

Immer wieder Spannendes fördert die Beschäftigung mit Exilliteratur zutage. Während sich einiges über die Emigration von Schriftsteller:innen nach Frankreich findet, hat Doris Hermanns mit »Und alles ist hier fremd. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im britischen Exil« echtes Neuland erschlossen (Aviva Verlag, bereits erschienen).

Gegenwartsthemen: Unter der Vielzahl an Neuerscheinungen zu Klima- und Umweltschutz widmen sich zwei Bücher zwei zentralen Aspekten, die neben den gerade so akuten Energiefragen etwas zu kurz kommen. Eine drängende, leider verdrängte Auseinandersetzung müsste dem Thema Wasserknappheit gelten. In »Wasser in Not. Porträt eines essenziellen Elements, das wir für unser Überleben brauchen« (oekom Verlag, Sept. 2022) erläutert Expertin Monique Bissen, warum.

Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann setzt der von Politik und teils auch von der Presse geschürten Angst vor »Wohlstandsverlust« ein klares Statement entgegen. »Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden« erscheint bei Kiepenheuer & Witsch (Sept. 2022). Ob als Beispiel für Kreislaufwirtschaft ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1940 taugt, werde ich sehen, wenn ich das Buch der TAZ-Autorin gelesen habe. Ich kaufe es mir trotz des Untertitels, diese ausufernde, zigfach kopierte, einfallslose Mode der »Wie wir…«, Warum wir…« finde ich ganz grässlich.

Geschichte: Ob ich mir tatsächlich auch den dicken Wälzer von Ben Wilson über »Metropolen. Die Weltgeschichte der Menschheit in den Städten« (S. Fischer, bereits erschienen, übersetzt von Irmengard Gabler) zulege, weiß ich noch nicht genau. Das Thema ist höchst spannend, der Autor schlägt den Bogen von der Antike bis in die Zukunft. »Für seine große Geschichte der Stadt ist er einmal um die Welt gereist, um ein Gespür für die Orte zu bekommen, von denen er erzählt, für die untergegangenen ebenso wie für jene, in denen heute das Leben pulsiert.« Großes Fragezeichen: Reisen statt Recherche? In untergegangene Städte? So hat es der Verlag vielleicht nicht gemeint, doch löst der Autor den hochgehängten Anspruch seines Rundumschlags auch ein? Dafür lese ich lieber erstmal ein paar Rezensionen der englischen Originalausgabe in New York Times und britischen Zeitungen.

Spezialisten: Für die beiden Bücher – Hans von Trotha mit »Der französische Garten. Rund um Paris« (Wagenbach, bereits erschienen) und Peter Rohrsen mit »Das Buch zum Tee. Sorten – Kulturen – Handel« (C.H.Beck, ein überarbeiteter Titel von 2013?) – gilt vermutlich: Garten- und Teefreunde teilen meine Neugier auf die Bände, alle anderen wohl nicht. Trotha »unternimmt eine Tour durch die wichtigsten Gärten in und um Paris, erzählt anekdotenreich von ihrer Entstehung und ihrem manchmal wechselvollen Werdegang«. Neben Anbaugebieten und Teesorten thematisiert Rohrsen auch »das schwierige Erbe des Britischen Empire und seiner Plantagenwirtschaft« und erläutert, wie die Qualität von Tee kontrolliert wird.

Schon gekauft habe ich mir »Index, eine Geschichte des. Vom Suchen und Finden« (Antje Kunstmann Verlag, übersetzt von Ursel Schäfer, bereits erschienen). Wo es unter anderem auch wieder um das Alphabet (und seine Tücken) geht. Das Buch von Dennis Duncan soll »ein Beispiel fröhlicher, lebenszugewandter Wissenschaft« und »voller Entdeckungen« sein. Als langjährige Verlagslektorin, die viele Jahre Volontärinnen betreut hat, kann ich da mitreden, denn Register-/Indexerstellung zu erlernen, kann mühsam sein, ich hätte da auch höchst amüsante Beispiele.

 

 

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