AUSSTELLUNG IN PARIS: NICOLAS DE STAËL
Lauter Lieblingsbilder: Das Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris widmet dem Maler Nicolas de Staël (1914–1955) eine große Retrospektive mit einer beeindruckenden Zahl von rund 200 Werken. Er malte unaufhörlich, über tausend Gemälde in den zehn Jahren seiner größten Produktivität, scherte sich wenig um die Meinungen der Kritiker, war in der Nachkriegszeit einer der wichtigsten französischen Maler, allerdings nach seiner ersten Einzelausstellung 1945 bei der Galeristin Jeanne Bucher vor allem in den USA kommerziell erfolgreich. An den zeitgenössischen Kontroversen um abstrakte oder gegenständliche Malerei beteiligte sich Staël nicht. Für seine immer minimalistischeren Landschaften spielt der Gegensatz keine Rolle: »Je n’oppose pas la peinture abstraite à la peinture figurative. Une peinture devrait être à la fois abstraite et figurative. Abstraite en tant que mur, figurative en tant que représentation d’un espace« (Nicolas de Staël, 1952).
Gespür für Grau: In chronologischer Folge gehängt, schreitet man in der Ausstellung an den verschiedenen Werkphasen vorbei, von den figurativen Anfängen des Malers nach dem Kunststudium in Brüssel über die ersten eher dunklen abstrakten Gemälde und eine langsam heller werdende Farbpalette bis zu den leuchtenden Farben der Landschaften seiner Sizilienreise und der Blautöne der normannischen Küste. Dass Etel Adnan ihn neben Paul Klee und Cézanne zu ihren Vorbildern zählte, erschließt sich auf den ersten Blick. Doch nie sah ich schöneres Grau als hier. Auch wenn die Farbe Grau viele Menschen an verhangene, neblige Novembertage erinnert und vielleicht für das »Gleichgültige, das Trostlose, das Ungefähre, das Ungewisse, das Unentschiedene, das Unbestimmte« steht – ich halte es mit dem hier zitierten Peter Sloterdijk, den gerade das Grau interessiert (»Wer noch kein Grau gedacht. Eine Farbenlehre«, Suhrkamp Verlag), und mit Paul Cézanne, der einmal sagte, solange man kein Grau gemalt habe, sei man kein Maler. Der Farbkünstler Nicolas de Staël erweist sich auch als Meister der unendlichen Variation von Grau-Nuancen und der gebrochenen Töne.
Biografie: Das Leben von Nicolas de Staël bietet reichlich Stoff für den Künstlermythos – als charismatischer Maler, russischer Exilant, gutaussehender Abenteurer und leidenschaftlich Liebender. Im Alter von nur 41 Jahren beging er Selbstmord, indem er sich von seinem Atelier an der Stadtmauer in Antibes stürzte. Wer es nicht zur Ausstellung nach Paris schafft, sei auf »Ein Maler zwischen Himmel und Meer«, das filmische Porträt von Nicolas de Staël, verwiesen, das in der Arte-Mediathek zu sehen ist.
Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 11 av. du Président Wilson (16e), www.mam.paris.fr
September 2023 bis 21. Januar 2024
Di–So 10–18 Uhr