TYPISCH BORDEAUX: BLINDFENSTER UND TÜRVORHÄNGE
Fenêtres murées: So viele zugemauerte Fenster in Bordeaux, was hat das zu bedeuten? Am 24. November 1798 wurde sie eingeführt, die Tür- und Fenstersteuer (Impôt sur les portes et fenêtres), und bis 1926 blieb sie in Kraft. Eine ähnliche Tür- und Säulensteuer, Ostiarium und Columnarium genannt, hatten schon die alten Römer erhoben, um die Provinzen auszunehmen. In Frankreich wurde die moderne Version der Besteuerung nur auf Häuser und Fabriken angewendet; landwirtschaftliche Bauten, Keller- oder Dachfenster und vom öffentlichen Dienst genutzte Räume waren nicht davon betroffen. Infolge dieser Steuer erhielten die im 19. Jahrhundert gebauten Häuser an den klar gegliederten Fassaden teilweise Blindfenster, in Bordeaux meist einfach vermauert, anderswo (in Nizza beispielsweise) auch mit Trompe-l’oeil-Fenstern versehen – ein echtes Steuersparmodell. Besonders erstaunt mich der Aufwand, auch für zugemauerte Fensternischen kunstvolle Balkongitter herzustellen und anzubringen…
Text Gesetz: https://fr.wikisource.org/wiki/Impôt_sur_les_portes_et_fenêtres
Rideaux de porte: Vorhänge vor der Haustür, das wirkt ungewohnt und fällt auf… Dass sie vor der Eingangstür hängen, nicht stattdessen angebracht werden, wie das manchmal an Balkon- oder Terrassentüren zu sehen ist, soll die farbig lackierte Holztür vor der Sonne und dem Verblassen bzw. Regen und Verwitterung schützen. Ich weiß nicht recht, ob ich das glauben soll, aber eine andere Erklärung habe ich nirgendwo finden können. Die Türvorhänge sind vor allem typisch für die »échoppes«, kleine Arbeiterhäuser aus dem regionaltypischen Kalkstein, die charakteristisch für die Bordelaiser Vororte sind. Die meist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten niedrigen eingeschossigen Häuschen haben zur Straße hin eine Tür und ein oder zwei Fenster, im Innern zwei, drei Zimmer und nach hinten hinaus einen kleinen Garten zur Selbstversorgung mit Gemüse. Eine Bestandsaufnahme (im Jahr 1995) zählte knapp 11 000 solcher einfachen Häuschen in den Randbezirken von Bordeaux, ganze Straßen entlang reihen sie sich aneinander. Heute sind die einstigen Arbeiterquartiere begehrte Immobilien. Nur hier werden noch im Frühjahr die Türvorhänge auf- und im Herbst wieder abgehängt – an größeren Häusern ist das Phänomen nie zu beobachten gewesen.