SIMONE VEIL: EIN LEBEN
50 Jahre »Loi Veil«: Heute, am 17. Januar 2025, kann das hart erkämpfte »Loi Veil«, mit dem die Abtreibung, die »interruption volontaire de grossessse (IVG)«, in Frankreich entkriminalisiert wurde, sein 50-jähriges Jubiläum feiern. Simone Veil (1927–2017) ist nicht nur eine der bekanntesten Politikerinnen Europas, sie wurde als populäre Streiterin für die Rechte der Frauen auch zur Symbolfigur einer ganzen Frauengeneration.
Autobiografie einer großen Europäerin: Die Karriere der dreifachen Mutter und studierten Juristin beginnt als Beamtin im Justizministerium und setzt sich über den Posten als Gesundheitsministerin im Kabinett von Jacques Chirac fort bis zur Spitzenkandidatur für die erste Europawahl für die UDF von Valéry Giscard d’Estaing im Jahr 1979: »Madame le Ministre« wird zur ersten Präsidentin des Europaparlaments. In ihren Erinnerungen berichtet sie vom Austausch mit Politikerinnen wie Hillary Clinton und Margaret Thatcher und schildert Begegnungen mit den Mächtigen ihrer Zeit, von Helmut Schmidt über Bill Clinton bis zu Nelson Mandela und Papst Johannes Paul II. Doch berührt hat mich in der Autobiografie dieser Galionsfigur der europäischen Gemeinschaft die Lebensgeschichte der Holocaust-Überlebenden.
Weiter leben: Wie die Daten des Transports nach Auschwitz und der Befreiung gehört die in die Haut ihres linken Arms tätowierte Nummer 78651 zu den unauslöschlichen Spuren dessen, was sie erlebt hat (»…le tatouage du numéro 78651 sur la peau de mon bras gauche. À tout jamais, elles sont les traces indélébiles de ce que j’ai vécu.«), schreibt Simone Veil in ihrer Autobiografie. Einen Tag nach dem Abitur im März 1944 wurde Simone Jacob in Nizza auf der Straße aufgegriffen, zwei Wochen später war das jüdische Schulmädchen in Auschwitz. Sie überlebte die Hölle, zusammen mit ihrer Schwester, die Mutter starb in Bergen-Belsen, Vater und Bruder, auch verschleppt, sah sie nie wieder. Nur wenige Seiten reserviert sie dem »enfer«, dem dunkelsten Kapitel ihrer Lebensgeschichte. Kaum weniger bedrückend als Tod und Elend im Konzentrationslager und die Unmenschlichkeit des Holocausts wirken Sprachlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber ehemaligen KZ-Häftlingen im Paris der Nachkriegszeit (und erinnert mich an die Lektüre der Pariser Erinnerungen von Thea Sternheim). Ich habe die Erinnerungen mit dem Titel »Une vie« auf Französisch gelesen, in deutscher Übersetzung sind sie unter dem Titel »Und dennoch leben« 2009 im Aufbau Verlag erschienen.
Pariser Metro: Im Jahr 2018 wurde die Station Europe im Nordwesten von Paris in Europe-Simone Veil umbenannt – zu Ehren der ehemaligen Präsidentin des Europaparlaments und Feministin. Zum Weltfrauentag 2017 hatte das Staatssekretariat für Gleichstellung eine alternative Metrokarte veröffentlicht, auf der 100 Stationen die Namen berühmter Frauen tragen. Nach der Überführung ins Pantheon, wo Simone Veil als fünfte Frau ihre letzte Ruhestätte fand, gab es posthum weitere Ehrungen für diese ganze außergewöhnliche Frau und Politikerin, von einer Gedenkmünze bis zur Benennung zahlreicher Schulen, Straßen und Plätze.