SAINT-MALO: ROUTE DU RHUM 2022

Mit Speed über den Atlantik: Nirgendwo wäre ich dieses Wochenende lieber als in Saint-Malo. Aber schon vor mehr als einem halben Jahr war es unmöglich, noch eine Unterkunft zu bekommen. Denn am Sonntag, den 6. November, um 13 Uhr startet die Regatta der »Route du Rhum«, die nur alle vier Jahre stattfindet. 6560 Kilometer, von der Bretagne in die Karibik, gilt es für die Solosegler zurückzulegen. Früher benötigten sie bis Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe knapp zwei Wochen, inzwischen liegt der Rekord bei sieben Tagen und 14 Stunden. Erst einmal war ich vor dem Start dabei und konnte im Hafen die riesigen Trimarane bewundern.

Boris Herrmann: Von den 138 Teilnehmern sind 112 Mitsegler Franzosen. Mich wundert es nicht, dass sie das Einhand-Hochseesegeln dominieren, spätestens seit wir einen Teil des Jahres in der Bretagne leben und mich schon die Kleinsten durch coole Manöver beeindrucken oder beim Katamaran-Segelkurs als mein Skipper fungieren (auch unsere Segelschule in Locquirec hat schon renommierte Sportler hervorgebracht). Bei der Rum-Regatta mit dabei ist etwa Yannick Bestaven, der Sieger der »Vendée Globe« 2020/2021. Gebannt hatte ich über die Jahreswende auf dem Tracker verfolgt, wie sich die Teilnehmer Seemeile um Seemeile durch die Ozeane kämpften, habe bei der Rettung von Kevin Escoffier mitgebangt, die früh Ausscheidenden wie Samantha Davies und Isabell Joschke bedauert. Boris Herrmann, der als erster Deutscher teilnahm, war quasi in letzter Minute nur Fünfter bei dieser härtesten Nonstop-Einhand-Regatta geworden, weil ihn kurz vor dem Ziel ein Fischtrawler rammte, nachdem er lange mit Siegchancen vorne lag. An der »Route du Rhum«, die seit 1978 stattfindet, nimmt der derzeit beste deutsche Hochsee-Segler zum zweiten Mal teil und steuert diesmal ein neues Boot, die in Vannes gebaute Malizia-Seaexplorer. Nach dem Pech wünsche ich Boris Herrmann diesmal gutes Gelingen und werde wieder mitfiebern!

Florence Arthaud: Zu den französischen Segelheroen gehört Florence Arthaud (1957–2015). Ich erinnere mich noch an ihren 18 Meter langen Trimaran »Pierre 1er« im Hafen von Saint-Malo, kurz vor dem Start der Rum-Regatta (heute sind die Boote der schnellsten Ultim-Trimaran-Klasse 32 Meter lang). Schwer vorzustellen, aber das zierliche Persönchen von 1,64 Meter Größe und 55 Kilogramm Gewicht gewann 1990 als erste Frau diese legendäre Transatlantik-Einhand-Segelregatta. In 14 Tagen, 10 Stunden und 8 Minuten legte sie die 3452 Seemeilen zurück und erreichte Guadeloupe in neuer Bestzeit. Im selben Jahr wurde sie »Champion des Champions«, eine Ehrung zum Sportler des Jahres, die von der Sportzeitung L’Equipe vergeben wird und zum ersten und bislang immer noch einzigen Mal an einen Segler ging. Ihren Spitznamen, »Fiancée de l’Atlantique«, die Verlobte des Atlantiks, wählte sie auch als Titel für eines ihrer Bücher (das Aquarell hängt im Musée de la Mer et de la Marine in Bordeaux). 2022 nehmen sieben Frauen teil, darunter die Engländerin Sam Davies, die wie Boris Herrmann im französischen Hochseesegelzentrum Port-la-Forêt trainiert. Besonders Vendée-Globe-Mitseglerin Isabell Joschke, die das Rennen damals mit einem Kielschaden vorzeitig beenden musste, drücke ich ebenfalls die Daumen. Nachtrag: Der Start wurde wegen Sturmwarnung im Ärmelkanal auf den 9.November verschoben. Das Daumendrücken für Boris Herrmann hat nicht gereicht, technische Probleme zwangen ihn zu reduzierter Geschwindigkeit. Aber die Seglerinnen haben sich toll geschlagen: Drei Frauen unter den ersten zwölf in der IMOCA-Klasse! Die Schweizerin Justine Mettraux hat einen bravourösen siebten Platz erreicht, die Deutsch-Französin Isabell Joschke den neunten und die Britin Pip Hare den zwölften Platz. Eine (!!) Minute vor der Ziellinie überholte sie noch ein Mitsegler – schlechter Stil nach einer Atlantiküberquerung.

www.routedurhum.com

Musée de la Mer et de la Marine Bordeaux