PARISER PASSAGEN: PASSAGE MOLIERE

Ein Ort für Literatur: Seit Kurzem erst ist die versteckte Passage in unmittelbarer Nachbarschaft des Centre Pompidou wieder zugänglich, ein paar begrünte Pflanzentöpfe stehen schon wieder vor den bunten Ladenfassaden aus Holz. Das kopfsteingepflasterte Gässchen, das so nostalgisch wirkt, wurde gerade komplett renoviert. Der schmale Durchgang für Fußgänger zwischen der Nummer 157 der Rue Saint-Martin und der Nummer 82 der Rue Quincampoix gehört nicht zu den historischen glasüberdachten Galerien wie Passage des Panoramas oder Galerie Véro-Dodat. Die Passage Molière führt unter freiem Himmel durch die Häuserzeile, zwei Portale können durch Gitter abgeschlossen werden wie inzwischen fast alle solcher Durchgänge in Paris. Früher fertigte hier ein Künstler Gipsabgüsse von Händen und Füßen an – aber ich habe zu lange damit geliebäugelt, jetzt gibt es den Laden nicht mehr. Fünf Jahre hat die Runderneuerung gedauert, alle Geschäftsleute und die Bewohner der Wohnungen darüber mussten ausquartiert werden, weil sich mehr Sanierungsbedarf ergab als geplant – wer schon mal einen Altbau renoviert hat, weiß, dass solche Überraschungen keine Ausnahme sind.

Und Molière? Nein, der französische Theaterautor hat hier nie gelebt. Ihren Namen verdankt die Passage einem seiner Dramaturgen-Kollegen, Jean-François Boursault-Malherbe (1750–1842), der 1791 einige Gebäude der damals noch Passage des Nourrices genannten Gasse erwarb und zu einem Theatersaal umbauen ließ. Eingeweiht wurde das »Théâtre Molière« mit einer Inszenierung des »Misanthrop« und gab nun auch der Gasse ihren Namen (hier war der Künstlereingang zum Theater). 1984 unter Denkmalschutz gestellt, erwarb die Stadt Theater und Passage und installierte in den 1990er-Jahren darin das Maison de la Poésie. Hier finden Lesungen, literarische Konzerte, Vorträge und Ausstellungen statt – mit dem Schwerpunkt Lyrik, aber auch zu allen anderen Gattungen der Literatur.

Papier und Poesie: Die im März 2022 eröffnete Buchhandlung in der Passage ist ein Eldorado für Lyrikfreunde. Rund 4500 Bände mit französischer und internationaler Poesie, etwa die Hälfte des Sortiments, füllen einen der beiden Räume der 60 Quadratmeter kleinen »Librairie EXC«. Ich habe mir dort Erzählungen von Anna de Noailles gekauft, denn Belletristik und Sachbücher ergänzen den Lyrik-Schwerpunkt. Die Papeterie L’Écritoire wiederum, der zweite schöne Laden, führt feine Papeterie, Malkreide, Stifte und Tinte, Kalligraphie-Utensilien und Büroartikel. Japanische Papiere und mit Papier bezogene Schachteln gibt es bei Misaki Iinuma, die in Workshops auch das Know-how fürs Selbermachen vermittelt. Für die Ladengeschäfte mussten sich die Inhaber bewerben, ausgewählt wurden bevorzugt Konzepte mit Verbindung zur Literatur.

 

www.maisondelapoesieparis.com

www.lecritoireparis.com

www.misakiiinuma.com

 

Paris Passage Moliere

Paris Passage Moliere

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